Weil viele Bürger vergeblich nach Bauplätzen suchen, will die Verwaltung Großprojekte wie das Dittlau schnell voranbringen. Argumente bezieht sie aus einem Gutachten. Dieses kann allerdings unterschiedlich interpretiert werden.

Göppingen - Der Showdown ist schon in weniger als drei Wochen, am 18. Oktober. Dann soll der Göppinger Gemeinderat den Grundsatzbeschluss für ein Baugebiet im Dittlau bei Faurndau fällen – zumindest wenn es nach dem Willen der Stadtverwaltung geht. Am Donnerstagabend hat sie schon einmal mit einer Fülle von Argumenten versucht, die Stadträte für ihre Sicht einzunehmen. Die Stichworte lieferte ihr eine Wohnraumbedarfsanalyse, deren endgültige Ergebnisse jetzt präsentiert wurden. Allerdings lässt sich das Gutachten ganz unterschiedlich interpretieren – wie etwa die SPD vorgemacht hat, die ein Baugebiet im Dittlau strikt ablehnt.

 

Laut dem Forschungs- und Beratungsinstitut Empirica aus Berlin werden bis zum Jahr 2036 in Göppingen etwa 2910 neue Wohneinheiten gebraucht. Das Institut hat im Auftrag der Stadt dabei eine eher dynamische Bevölkerungsentwicklung zugrunde gelegt. Die benötigten Wohneinheiten setzen sich aus 1240 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern und 1670 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zusammen. Ein Punkt, der schon in der Vergangenheit Streit ausgelöst hat, ist die Frage, wie viele dieser Wohnungen tatsächlich neu gebaut werden müssen, und bei wie vielen es um Sanierungen geht. Denn bei den „neuen Wohneinheiten“ so umschreiben es die Experten, handelt es sich sowohl um komplett neue Wohnungen als auch solche, die schlicht saniert oder durch einen Neubau ersetzt wurden.

Till: „Wir können nicht ein Baugebiet gegen das andere ausspielen.“

Die Stadt jedenfalls rechnet vor, dass auf dem freien Immobilienmarkt durch die Sanierung von Gebäuden rund 750 Wohnungen entstehen könnten. Die Zahl basiere auf Erfahrungen und Schätzungen. Weitere 670 Wohnungen entstehen im Rahmen des Masterplans Wohnen der Stadt durch die Nutzung von innerstädtischen Brachen und Arrondierungen. Ein Teil davon, nämlich 56 Wohneinheiten verteilt auf vier Baugebiete, werden zurzeit vermarktet. Das Baugebiet Dittlau ist mit 800 Wohnungen veranschlagt, der Stauferpark mit 600 neuen Wohnungen, und im Bergfeld könnten noch zusätzliche 200 Wohnungen gebaut werden. Zusammen könnten so 3020 Wohneinheiten entstehen.

Der Oberbürgermeister Guido Till betont, dass die Stadt jedes der geplanten Wohngebiete brauche. „Wir können nicht ein Baugebiet gegen das andere ausspielen, wir brauchen alle, wenn wir den Bedarf decken wollen.“ Till betont, dass die Stadt vorsichtig geplant habe. Er gehe davon aus, dass die Stadt weitere Baugebiete brauche, wenn die geplanten entwickelt seien.

SPD wirft Verwaltung „handwerkliche Fehler“ vor

Die meisten der Wohnungen würden im Übrigen für Bürger aus der Stadt benötigt, junge Familien beispielsweise, sagte Till. So sei die Nachfrage nach den Wohneinheiten, die jetzt auf den Markt gekommen, bereits fünf Mal so hoch wie das Angebot. Die Mehrzahl der Interessenten stammten aus Göppingen, nur 15 Prozent der Anfragen kämen aus anderen Kreisen.

Im Gemeinderat gibt es vor allem auf Seiten der SPD und der Grünen Zweifel an der Sichtweise der Stadt. Der SPD-Chef Armin Roos argumentierte ebenfalls mit Zahlen aus dem Gutachten. Darin werde ausgeführt, dass es bei rund 1500 der benötigten Wohnungen um Sanierungen oder den Neubau bestehender alter Gebäude gehe, so Roos. Das bedeute, dass man für diese Gebäude keine neuen Wohngebiete ausweisen müsse – sie könnten im Bestand entstehen, argumentierte er. Möglicherweise könne bei einer entsprechenden Verdichtung sogar noch mehr Wohnraum als Ersatz für die nicht mehr zeitgemäßen Wohnungen entstehen. Tatsächlich würden deshalb wesentlich weniger neue Baugebiete benötigt als veranschlagt. Der Verwaltung warf er vor, entweder handwerkliche Fehler begangen zu haben oder bewusst mit falschen Zahlen zu operieren.