Immer mehr Flüchtlingskinder werden von Tagesmüttern betreut. Das ist eine neue Herausforderung und setzt zusätzliches kulturelles Training voraus – Göppingen ist Vorbild.

Region: Corinna Meinke (com)

Göppingen - Mehr als 400 Kinder vom Baby bis zum Schulkind werden im Kreis Göppingen von rund 120 Tagemüttern betreut. Doch es könnten noch deutlich mehr sein, sagt Bettina Bechtold-Schroff, die die Geschäftsstelle des kreisweit agierenden Göppinger Tagesmüttervereins leitet. Vor allem in Geislingen sei der Verein ständig auf der Suche nach zusätzlichen Betreuungspersonen. Neuerdings engagiert sich der Verein auch in der Betreuung von Flüchtlingskindern, er hat dazu ein Fortbildungsangebot entwickelt.

 

Kulturelle Vielfalt heißt die Herausforderung

Der Umgang mit kultureller Vielfalt in der Kindertagespflege gehöre inzwischen schon zum Alltag vieler Tagesmütter, berichtet Bechtold-Schroff. Um die Tagesmütter für diese fordernde Aufgabe zu qualifizieren, habe man gemeinsam mit dem Landesverband Kindertagespflege Baden-Württemberg das Fortbildungsangebot „Chancen gleich“ entwickelt. Dieses Angebot für Tagesmütter wird derzeit modellhaft in Zusammenarbeit mit dem Haus der Familie Göppingen erprobt.

Das Ziel der Fortbildung sei es, durch praktische Übungen und Informationen interkulturelle Kompetenz zu erwerben und zu trainieren sowie eigene Prägungen zu bearbeiten, heißt es dazu in der Ausschreibung. Durch den Besuch der Fortbildung sollen die Tagesmütter und -väter im Alltag sicher werden im Umgang mit verschiedenen Kulturen, hoffen die Anbieter.

Gruppen für Flüchtlingskinder entstehen

In der Praxis findet diese Art der Betreuung bereits statt. So hat der Tagesmütterverein sowohl in Göppingen für Kinder aus der Gemeinschaftsunterkunft Pappelallee als auch in Geislingen nahe der Containerwohnanlage in der Rheinlandstraße Angebote für Flüchtlingskinder geschaffen. Eine weitere Gruppe soll im Göppinger Stadtteil Bodenfeld demnächst installiert werden. Diese Gruppe wird dringend benötigt, da die Zahl der Plätze in von dort aus gut erreichbaren Göppinger Kindertagesstätten längst nicht ausreicht.

„In beiden Städten können wir von einem Glücksfall sprechen“, sagt Bechtold-Schroff. Sie meint damit, dass sowohl in Göppingen als auch in Geislingen Tagesmütter aktiv geworden sind, die selbst über einen Migrationshintergrund verfügen.

Um den Bedarf zu decken und ganze Gruppen von Kindern betreuen zu können, tun sich offenbar immer häufiger mehrere Tagesmütter zu einer Großtagespflegestelle zusammen. Zwar dürfe jede Tagesmutter maximal fünf Kinder annehmen, doch im Kreis Göppingen kämen, ähnlich wie im Landesdurchschnitt, auf jede Tagesmutter im Schnitt lediglich drei Kinder, berichtet Bechtold-Schroff.

Viele Kommunen gewähren Zuschüsse

Die derzeit fünf Großtagespflegestellen in Bad Boll, Eislingen, Mühlhausen, Salach und Geislingen werden von den jeweiligen Kommunen unterstützt, die die Räume zur Verfügung stellen und zum Teil auch für die Einrichtungsgegenstände und das Spielmaterial sorgen. Vor allem wenn es um Kinder im Alter von unter drei Jahren geht, sind Tagesmütter nach wie vor offenbar stark gefragt. Und da für die Betreuung dieser Kinder längst ein gesetzlicher Anspruch besteht, haben 21 der 38 Kommunen im Kreis Göppingen eine Kooperation mit dem Tagesmütterverein abgeschlossen, der vorsieht, die Mehrkosten bei der Betreuung eines Kindes in Tagespflege gegenüber einem vergleichbaren Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung auf Antrag zu übernehmen oder einen Zuschuss zu gewähren.

Die angemessene Bezahlung der Kindertagespflege bezeichnet Bechtold-Schroff als ein Dauerbrennerthema. Die Göppinger Geschäftsführerin setzt sich in ihrer Funktion als Vorstandsmitglied des Landesverbands Kindertagespflege in den Verhandlungen auf Landesebene zusammen mit dem Gemeinde-, Städte- und Landkreistag sowie dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg für eine bessere Entlohnung ein.

Die Bezahlung soll endlich besser werden

Das Ziel sei es, die Sätze für Kinder im Alter über drei Jahren (heute: 4,50 Euro pro Stunde) und denen für Kinder unter drei Jahren (derzeit: 5,50 Euro) auf einheitlich 6,50 Euro anzuheben. Nur so lasse sich eine größere Anzahl an Tagesmüttern finden. Bechtold-Schroff kritisierte die zurzeit „recht geringe Bezahlung“ für wenig attraktive Arbeitszeiten, die sich häufig auf die unbeliebten Randzeiten vor und nach dem Besuch der Kindertagesstätten konzentrierten. Außerdem wachse der Betreuungsbedarf über Nacht und an den Wochenenden immer mehr.

Der Verein erlebt Höhen und Tiefen