Zehn Jahre lang hat Konrad Aichinger das Polizeirevier in der Stadt geleitet – und einiges erlebt. Jetzt wechselt er in das größere Revier in Ulm-West und übergibt den Stab an die 41-jährige Inka Buckmiller.

Göppingen - Konrad Aichinger muss nicht lange überlegen. Am meisten geprägt habe ihn die Auseinandersetzung zwischen links und rechts, die in Göppingen über Jahre hinweg immer weiter eskaliert sei, erzählt der scheidende Leiter des Polizeireviers Göppingen. Die Frage, wie man mit immer größer werdenden Neonazi-Demonstrationen in der Stadt umgehen solle und wie sich weitere Eskalationen, vor allem mit den linken Gegnern, verhindern ließen, dies habe ihn über Jahre beschäftigt und beschäftige ihn auch weiterhin. Was den im Stadtteil Bodenfeld aufgewachsenen 57-Jährigen dabei besonders verdrießlich stimmt: „Göppingen ist keine rechte Stadt. Es sind einfach bestimmte Umstände zusammengekommen, die dazu geführt haben, dass sich die rechte Szene hier immer wieder getroffen hat – mit allen negativen Folgen.“

 

Aichinger kann sich noch daran erinnern, wie eine Handvoll Rechter im Jahr 2006, als er in Göppingen das Revier übernahm, zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens vor dem Kriegerdenkmal demonstriert haben – unbeachtet von der Öffentlichkeit. „Und ich habe gedacht, hoffentlich kriegt das niemand mit, dann ist das schnell vorbei.“ Der Wunsch wurde bekanntlich nicht erfüllt.

Demonstrationen entwickelten „ganz eigene Dynamik“

„Ich habe miterlebt, wie die Kommune und die Bürger und natürlich die Linken auf die Neonazis reagiert haben und wie sich daraus eine ganz eigene Dynamik entwickelt hat“, erzählt er. Ihm wäre es am liebsten gewesen, man hätte nicht die Rechten, aber ihre Aufmärsche ignoriert und ihnen so das Demonstrieren verleidet. Aichinger zitiert das Beispiel einer anderen Kommune, in der man Neonazis sogar anfeuerte, möglichst weit zu marschieren. Denn für jeden Meter, den sie zurücklegten, spendeten Sponsoren der Gegenseite Geld an Organisationen, die sich um Aussteiger aus der rechten Szene kümmern. Die rechten Umtriebe waren in der Kommune danach schnell beendet.

Dem Revierleiter, der jetzt zum Polizeidirektor befördert worden ist, hätte so etwas in Göppingen auch gefallen. Stattdessen kümmerte er sich gemeinsam mit der Stadt und den anderen Behörden darum, dass die Aufmärsche der Rechten und die linken Gegendemonstrationen nicht völlig ausarteten, bemühte sich, das Demonstrationsrecht aller Seiten zu schützen und vermittelte so gut es ging zwischen den verschiedenen Gruppierungen.

Mit den Italienern auf dem Marktplatz gesungen

Als Vermittler war der Mann, der seit vielen Jahren mit seiner Familie in Schlat lebt und künftig von dort nach Ulm pendelt, oft gefragt, auch bei den vielen Fußballfesten, die ihn ebenfalls von Beginn an in Göppingen begleitet haben. „Es gab in keiner anderen Stadt so viele Public Viewings bei Europa- und Weltmeisterschaften wie in Göppingen“, sagt er. Ihm sei es stets wichtig gewesen, den Fußballfans das Feiern zu ermöglichen und die Anwohner dennoch vor allzu großen Ruhestörungen zu bewahren. Ein Balanceakt, der ohne größere Zwischenfälle gelang und bei dem Aichinger und seine Mitarbeiter auch einen guten Einblick in die verschiedenen Kulturen in der Stadt erhalten haben. „Die Italiener feiern am fröhlichsten“, findet er. „Die haben uns auch nie gehen lassen, ohne dass wir mit ihnen auf dem Marktplatz ihre Nationalhymne gesungen haben. Danach war dann aber auch Schluss und alle sind zufrieden nach Hause gegangen.“

Nun freut sich Aichinger darauf, in Ulm-West neue Kontakte zu knüpfen. Das Revier ist mit 148 Stellen deutlich größer als Göppingen mit seinen 78 Stellen. Große Auseinandersetzungen zwischen rechts und links gibt es dort bisher nicht, dafür gibt es immer wieder mal Ärger mit der Biker-Szene. Aichinger will sich in Ulm fürs erste vor allem Themen wie die Verkehrssicherheit vornehmen. „Vor der Polizeireform war Ulm für uns ja weit weg“, sagt er. „Inzwischen ist die Zahl der Kilometer zwar noch die gleiche, aber organisatorisch arbeiten wir ja schon sehr eng zusammen.“

Nachfolgerin will das „gemähte Wiesle“ gut pflegen

Darum, dass es sich in Göppingen auch in Zukunft friedlich leben lässt, kümmert sich nun Aichingers Nachfolgerin Inka Buckmiller. Damit ist die Göppinger Polizei fest in Frauenhand: Denn das Kriminalkommissariat wird bereits seit März von Birgit Sommer geführt.

Die 41-jährige Buckmiller lebt in Denkendorf (Kreis Esslingen) und arbeitete viele Jahre lang als Sprecherin für die Esslinger Polizei. Ihre Ausbildung hat sie bei der Bereitschaftspolizei in Böblingen absolviert. Zuletzt war sie drei Jahre lang Sprecherin des Landeskriminalamts in Stuttgart – hat aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie eigentlich wieder in den aktiven Polizeidienst wollte. Mit dem neuen Job in Göppingen sei für sie ein Traum wahr geworden, sagte sie am Dienstag bei der Verabschiedung Aichingers und ihrer Amtseinführung in der Göppinger Stadthalle. „Für mich ist das die optimale Mischung aus Polizeiarbeit, strategischer Planung und Bürgernähe.“ An erster Stelle stehe für sie die Sicherheit der Bürger. Aichinger habe ihr „a gmäht’s Wiesle hinterlassa“, um das sie sich nun gut kümmern wolle.

Tatsächlich hat das Göppinger Revier dem Ulmer Polizeipräsidenten Christian Nill zufolge die beste Aufklärungsquote im Bereich des Ulmer Präsidiums. Entsprechend fiel auch das Lob des Göppinger Oberbürgermeisters Guido Till aus: „Wir sind eine sichere Stadt, und das kommt nicht von ungefähr“, sagte er mit Blick auf Aichinger und fügte hinzu, dass dieser gehe, sei „ein Verlust für Göppingen“. Till lobte auch die gute Zusammenarbeit mit Aichinger und lud Buckmiller auf einen Kaffee ins Rathaus ein, um diese gute Zusammenarbeit möglichst schnell fortzusetzen.