Ob die Autonomen Nationalisten Göppingen (ANGP) eine kriminelle Vereinigung waren, ist schwer zu beweisen.

Göppingen - Das aufwendigste Verfahren gegen Rechtsextremisten, das es in Baden-Württemberg je gegeben hat, könnte nach drei Jahren sang- und klanglos eingestellt werden. Das hieße, dass gegen die vier früheren Anführer der inzwischen verbotenen Autonomen Nationalisten Göppingen (ANGP), denen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird, nur Geldstrafen verhängt werden. Dass die Angeklagten mit ihren Aktionen einige Jahre lang wie ein brauner Spuk auf der Stadt lasteten, dass sie versuchten eine „völkisch befreite Zone“ einzurichten, dass es immer wieder zu Zusammenstößen mit anderen Gruppen gab, rechte Umzüge, Kundgebungen und ausartende Gegendemonstrationen, kurz: dass das Klima in Göppingen massiv litt, all das spielt juristisch keine Rolle.

 

Beim ersten Prozess wurden 122 Zeugen vernommen

Wie die Sprecher der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts in Stuttgart bestätigen, verhandeln das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger zurzeit über die Einstellung. Offenbar sieht das Gericht keinen Sinn mehr darin, den ursprünglichen Vorwurf weiter zu verfolgen. Die einzelnen Straftaten, um die es geht, sind offenbar nicht so gewichtig, dass sie aus Sicht des Gerichts in jedem Fall ein weiteres langes Verfahren rechtfertigen.

Die 12. Strafkammer des Landgerichts hatte die vier Rechtsextremisten aus dem Raum Göppingen vor drei Jahren nach einem langwierigen Prozess der Bildung einer kriminellen Vereinigung für schuldig befunden. Die Kammer hatte an 45 Verhandlungstagen 122 Zeugen vernommen. Die einzelnen Taten, um die es dabei ging, waren nicht spektakulär: Sachbeschädigungen durch Naziaufkleber und -Plakate sowie Farbschmierereien an Gebäuden, ein paar Beleidigungen und Prügeleien.

Bundesgerichtshof hebt Urteil auf

Insgesamt aber sah das Gericht den viel schwerer wiegenden Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung als erwiesen an und verurteilte zwei der Angeklagten zu etwas mehr als zwei Jahren Haft, zwei zu Bewährungsstrafen. Doch zwei der Angeklagten gingen in Revision. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab ihrer Beschwerde im Mai 2016 Recht (Aktenzeichen: 3 StR 86/16), kassierte das Urteil und verwies das Verfahren zurück an das Landgericht.

Seither muss sich dort die 8. Strafkammer mit dem Thema herumschlagen – und das ist offenbar nicht ganz einfach. Denn der BGH hat in seinem Urteil ganz klar gemacht, dass er die genannten Straftaten nicht für massiv genug hält, um daraus eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuleiten. Doch genau dies ist die Voraussetzung für den Tatvorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Zurzeit wird über die Bedingungen der Einstellung verhandelt

Ob das Verfahren nun tatsächlich eingestellt wird oder es doch noch zu einem weiteren Prozess kommt, ist offen. „Die Verhandlungen gestalten sich schwierig. Wie es ausgeht kann man wohl frühestens in drei Monaten sagen“, berichtet der Sprecher der Staatsanwaltschaft Heiner Römhild. Offenbar geht es zurzeit unter anderem darum, welche Auflagen, Geldstrafen etwa, mit der Einstellung verbunden wären. Damit das Verfahren rechtskräftig eingestellt werden kann, müssen sich nämlich alle Prozessbeteiligten einigen.

In Göppingen ist man von der Wendung nicht überrascht. „Wir wären natürlich schon enttäuscht, wenn das so käme, aber eine große Überraschung wäre es nach dem BGH-Urteil auch nicht“, sagt die Vorsitzendes des Vereins Kreis Göppingen nazifrei. Weil es in Göppingen aber so oder so weiterhin Probleme mit Rechtsextremisten gebe, konzentriere sich ihre Gruppe in erster Linie auf die Vorbeugung.