Sie lösen ihre Wohnung in Göppingen auf und begeben sich auf eine Reise durch Europa, deren Ende nicht abzusehen ist. Das neue Zuhause von Tini und Uwe Mayer ist ein Wohnmobil, in dem sie „unterwegs leben“ wollen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Die Wohnzimmercouch ist bereits durch ein Provisorium, in Form eines aufblasbaren Betts, ersetzt. Auch sonst fehlt in der Wohnung von Tini und Uwe Mayer schon das eine oder andere Accessoire. Ende Juni wird das Göppinger Ehepaar den Schlüssel ihres Zuhauses endgültig abgeben – und nur das mitnehmen, was unbedingt notwendig ist beziehungsweise einen Platz im neuen Wohnmobil findet. Die Mayers sind dann mal weg – auf unbestimmte Zeit, auf jeden Fall für lange, vielleicht sogar für immer.

 

Nun ja, das stimmt nur halb. Denn der freie Fotograf wird seine Kurse an der Volkshochschule auch in Zukunft abhalten. Zweimal im Jahr kehrt der 61-Jährige mit seiner ein Jahr jüngeren Ehefrau also in den Stauferkreis zurück, vielleicht auf einen Campingplatz oder auch zu Freunden, die in ihrem Hof genügend Platz für ein Hymer-Mobil haben. „Unser Lebensmittelpunkt wird aber Europa sein“, erklären die beiden, und die Vorfreude ist ihnen anzusehen.

Das Nordkap ist „der erste Traum“

Ursprünglich sind die Pläne andere gewesen. Auf den schwarzen Kontinent auswandern, so hieß das Ziel. „Wir sind Afrika-Fans“, sagt Uwe Mayer. Doch eine Erkrankung an seiner Bauchspeicheldrüse, mit einer Diabetes als Folge, machte dieses Vorhaben zunichte. Nicht etwa, dass ihm selbst das Risiko zu groß gewesen wäre. „Den deutschen Krankenkassen aber sehr wohl. Und bei meiner Vorgeschichte muss ich im Ausland erst gar nicht nach einer suchen.“

Europa sei aber kein Notnagel, betont Tini Mayer. „Das Nordkap war schon immer ein Traum von uns und wenn du im Winter Portugal, Spanien oder Griechenland ansteuern kannst, ist das ja auch nicht so schlecht.“ Konkrete Planungen haben die Mayers dabei nicht. „Wir fangen im Norden an. Dann geht’s im Spätherbst vermutlich auf die Iberische Halbinsel und 2020 nach Großbritannien. Wir haben ja keinen Stress und werden mal sehen“, ergänzt die Sozialversicherungsfachangestellte, die jüngst die Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit angetreten hat.

Tini Mayer: In erster Linie geht es darum, sich einfach treiben zu lassen.

„Unterwegs leben“, so lautet von Anfang Juli an die Devise. Und ein klein bisschen will Uwe Mayer von unterwegs aus auch arbeiten. Als digitaler Nomade wird er – natürlich – fotografieren, filmen und die Tour dokumentieren: per Homepage, Blog, Youtube und Instagram. Seine Frau kann sich vorstellen, „irgendwo bei der Ernte zu helfen oder sonst etwas zu machen, wo man Menschen kennenlernt“. In erster Linie gehe es jedoch darum, sich einfach treiben zu lassen.

„Verpflichtungen nehmen wir definitiv nicht mit und auch sonst kommt alles weg, was nicht ins Wohnmobil passt“, fährt Uwe Mayer fort. Zurück bleiben allerdings auch viele Freunde und drei erwachsene Kinder. Ein Problem?, „Nein“, sagen die Aussteiger unisono: „Wir werden womöglich mehr Kontakt haben und manchen wahrscheinlich öfter sehen als bisher“, fügt er hinzu. Etliche Leute hätten ihre Besuche bereits angekündigt.

Für Bank und Auto braucht es eine „postfähigen Meldeanschrift“

Bis es endlich losgeht, haben die beiden aber noch einiges zu tun. „Wobei das Meiste eigentlich erledigt ist“, schränkt Uwe Mayer nach kurzem nachdenken ein. Das Wohnmobil steht parat und ist komplett autark: Wasser, Strom, Gas – alles an Bord. Und was man als Wohnmobilist sonst noch zu beachten hat, weiß das Paar von seinen vergangenen Reisen. „Nach und nach wird eh jeder von uns alles können müssen. Da ist zunächst Lernen angesagt“, sagt Tini Mayer. Etwa das Rückwärtsfahren mit Anhänger, auf dem, für kleinere Ausflüge, ein Smart mitreisen wird. Alle Gegenstände so zu verstauen, dass sie auch in Kurven an ihrem Platz bleiben. Beispiele, was sonst meist nur einer macht, gibt es genügend. „Aber wir sind das Zusammenarbeiten und das Zusammensein gewöhnt, deshalb gibt es da sicher keine Probleme“, ist sie überzeugt.

Die Probleme waren übrigens auch im Vorfeld gezählt. „Nur das mit der postfähigen Meldeanschrift sei halt schwierig, wenn Europa dein Zuhause ist“, sagt Uwe Mayer und lacht. Im Pass könne man zwar einen Wohnsitzlos-Stempel haben. Für die Bank oder um ein Auto anzumelden, brauche es aber eine feste Adresse. Ein Neffe habe ausgeholfen und sich als formaler Beherberger zur Verfügung gestellt.

Ausstellung unter dem Motto „Alles muss raus“

Bevor Tini und Uwe Mayer ihre Tour antreten, sind die wichtigsten Arbeiten des Fotografen von diesem Freitag an in der Kulturmühle Rechberghausen zu sehen. Seine Abschiedsausstellung trägt den Titel „Ich bin dann mal weg. . .“, hat aber zugleich auch die Devise „Alles muss raus“. Die Vernissage der Verkaufsschau beginnt um 19 Uhr. Für den musikalischen Rahmen sorgt das Duo Sligo nou folk. Zudem stellt Uwe Mayer seine Kurzbiografie „Das kann jetzt weg“ vor. Die Ausstellung ist bis Samstag, 8. Juni, zu sehen und endet mit einer Finissage sowie mit dem Abverkauf aller Bilder zwischen 14 und 17 Uhr,

Seine Abschiedsvorstellung in Göppingen gibt Uwe Mayer dann am 29. Juni. An diesem Samstag von 19 bis 1 Uhr steigt die neunte Kulturnacht in der Hohenstaufenstadt – mit 26 Stationen vom Stauferpark bis nach Faurndau. Von Anfang an gehört Mayer zum Organisationsteam der Veranstaltung – heuer allerdings zum letzten Mal.