Sich der Opfer annehmen, aber auch die Arbeit mit den Tätern ausbauen, das sind die Ziele von Stefan Vaihinger. Er leitet seit kurzem das Göppinger Kinderschutzzentrum.

Göppingen - Dass der Schutz der Kinder im Vordergrund steht, das hat Stefan Vaihinger an seiner neuen Tätigkeit gereizt. Auch dass er nun in leitender Position tätig ist, findet der 44-Jährige spannend. Stefan Vaihinger ist der neue Chef des Göppinger Kinderschutzzentrums. Er folgt Michael Pfeifer nach, der im vergangenen Herbst nach schwerer Krankheit gestorben ist. Im Moment sei er noch dabei sich zu orientieren, sagt Vaihinger, der noch bis vor kurzem als Sozialarbeiter und Diakon der Evangelischen Landeskirche bei der evangelische Jugendhilfe Hochdorf im Kreis Ludwigsburg tätig war. Dort kümmerte er sich vorwiegend um Jugendliche mit sexuell grenzüberschreitendem Verhalten, wie es im Fachjargon heißt. Seine Erfahrungen in diesem Bereich will der Sozialarbeiter nun in Göppingen einbringen.

 

Bei Null muss er in Göppingen nicht anfangen. Schon in der Vergangenheit war eine wichtige Aufgabe der Einrichtung die sogenannte Täterarbeit. Vaihinger hofft aber, dass dieser Bereich über kurz oder lang ausgebaut werden kann. Denn auch die Täter – ganz egal, ob sie durch häusliche, psychische oder sexualisierte Gewalt aufgefallen seien – bräuchten Hilfe, schon allein deshalb, um die Kinder in ihrem Umfeld zu schützen und weitere Opfer zu vermeiden. „Das was wir hier machen, ist letztlich nichts anderes als Prävention“, macht Vaihinger deutlich. Oft seien die Täter fehlgesteuert und wüssten nicht, was richtig oder falsch sei. „Wenn ihnen das jemand sagt, können sie das besser einordnen.“

Bewusstsein für Grauzonen soll geweckt werden

Während bei der Jugendhilfe Hochdorf vor allem minderjährige Täter sein Klientel waren, sind in Göppingen alle Altersgruppen vertreten. Außerdem ist das Kinderschutzzentrum häufig mit besonders schwerwiegenden Fällen befasst. „Oft haben wir es hier mit langjährigem Missbrauch oder mit Vergewaltigungsgeschichten zu tun, die sehr heftig sind“, sagt Vaihinger. Im Übrigen sei es ein Irrtum zu glauben, dass bei sexualisierter Gewalt ausschließlich männliche Jugendliche oder Männer die Täter seien. „Es gibt auch Frauen und Mädchen, die Übergriffe machen. Sie werden aber seltener angezeigt.“ Er erinnert sich an ein junges Mädchen, das „fast schon Zuhälterei“ betrieben habe.

Wichtig ist Vaihinger auch, ein Bewusstsein für Grauzonen zu wecken. So sei es keineswegs kindgemäß, wenn eine Mutter ihren elfjährigen Sohn dusche oder abseife. „Schon ab acht Jahren entwickelt sich Scham, wollen sich Kinder von ihren Eltern abgrenzen.“ Darüber dürften sich Erwachsene nicht hinwegsetzen.

Eine Schwierigkeit sei, die Täter zur Mitarbeit zu bewegen, da sie es in der Regel auferlegt bekämen, beim Kinderschutzzentrum vorstellig zu werden. Andererseits sei es nicht möglich, jemanden zur Einsicht zu bringen, der nicht bereit sei mitzuwirken, sagt Vaihinger. Er sagt von sich, dass er schon immer aufgefallen sei als jemand, der geduldig zuhören, Probleme analysieren und lösen könne. Dies helfe ihm auch bei seiner Tätigkeit als Sozialarbeiter. Öffnen müsse aber auch er sich immer wieder aufs Neue. „Man muss diese Personen annehmen, gleichzeitig aber sagen, die Tat war falsch.“

Schwerpunkt bleibt die Betreuung von Opfern

Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß Vaihinger, dass häufig die Täter selbst Opfer von Gewalt waren. Dadurch seien sie emotional abgestumpft. Deshalb arbeitet er zunächst mit den Tätern daran, wieder in Kontakt zu den eigenen Gefühlen zu kommen. In einem zweiten Schritt lotet er aus, in welchen Situationen es zu einem Fehlverhalten kommt, um dann nach Strategien zu suchen, diese zu umgehen. Dies sei mühsam, sagt Vaihinger. „Man muss eine Mauer abtragen.“ Selbst wenn die Täterarbeit ausgebaut werden sollte, bleibt der Hauptschwerpunkt des Kinderschutzzentrums die Betreuung von Opfern.

„In diesem Bereich kann ich noch viel lernen“, räumt Vaihinger ein. Das Zentrum, bei dem außer Vaihinger noch vier Mitarbeiterinnen angestellt sind, sei aber nicht nur direkt mit Opfern und Tätern befasst. Es halte auch Schulungen ab, um über verschiedene Themen zu informieren und Menschen für den Kinderschutz zu sensibilisieren. Außerdem stünden die Mitarbeiter bei leichteren Fällen anderen Einrichtungen der Jugendhilfe wie auch Schulen und Kindergärten mit Rat und Tat zur Seite. „Oft heißt es dann nach einem Gespräch, das können wir selbst regeln“, erzählt Stefan Vaihinger.