Melanie Aardjah haut nicht auf den Tisch, wenn ihr etwas wichtig ist. Trotzdem brennt die künftige Leiterin der Kunsthalle Göppingen für ihre Arbeit.

Göppingen - Der Umzug ist kein Problem. Sie muss nicht einmal das Büro wechseln. Schon seit 2016 ist Melanie Ardjah als Kuratorin an der Göppinger Kunsthalle tätig. Und weil es dort kein Direktorenzimmer gibt, sondern nur ein Großraumbüro, bleibt sie trotz neuer Stelle an ihrem alten Schreibtisch.

 

Arbeit wartet ansonsten genug auf die promovierte Kunsthistorikerin, die in wenigen Wochen die Nachfolge des scheidenden Kunsthallenchefs Werner Meyer antritt. Dann ist Ardjah nicht nur für die Organisation von Ausstellungen zuständig, sondern auch für Gesamtplanung, Verwaltung und Budgetfragen. Die größte Herausforderung aber wird sein, aus dem Schatten des Vorgängers herauszutreten. Meyer hat das Haus 1989 quasi aus dem Nichts heraus aufgebaut und zu einer renommierten Ausstellungsinstitution gemacht.

Große Liebe zum Job

Anders als ihr energischer und charismatischer Nochchef, der für seine Vorhaben auch schon mal mit der Faust auf den Verhandlungstisch schlagen konnte, wirkt die Nachfolgerin zurückhaltender. „Ich pflege sicher in mancher Hinsicht einen anderen Stil als Werner Meyer“, räumt sie ein, „aber wenn es nötig ist, kann auch ich konsequent und verbindlich für die Belange der Kunst eintreten.“

Hilfreich ist dabei sicher ihre große Liebe zum Job, die man der 44-Jährigen sofort anmerkt. Ihre Augen beginnen zu leuchten, als sie eine Videoarbeit des berühmten US-Künstlers Bruce Nauman aus der aktuellen Ausstellung beschreibt. „Nauman vermittelt eine ungeheure existenzielle Erfahrung, indem er eine Stunde lang keuchend und polternd auf dem Boden verharrt.“

Vor allem die Göppinger im Blick

Doch auch ein guter Riecher für den Nachwuchs zeichnet Ardjah aus. Ralf Ziervogel, dem 2016 die erste von ihr kuratierte Göppinger Schau galt, hatte gerade einen großen Auftritt in den Hamburger Deichtorhallen. Reicht das, um den Nachteil der geografischen Randlage Göppingens auszugleichen? Immer wieder, so Ardjah, erfahre sie bei Anfragen für Ausstellungen, dass man die Kunsthalle auch in Berlin und Hamburg kenne. Und aus den nicht ganz so weit entfernten Städten wie Stuttgart oder Tübingen kämen ebenfalls relativ viele Besucher – trotz der nur mäßigen Anbindung an Bus- und Bahnverkehr.

Ardjah vertritt die Ansicht, dass Kultur überall hingehört. Natürlich verfüge Göppingen nicht über die Ressourcen der Stuttgarter Staatsgalerie, aber neben vergleichbaren Häusern wie der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen oder dem Kunstmuseum Heidenheim stehe man relativ gut da. Doch allein auf die überregionale Strahlkraft ihres Hauses hat es die Demnächst-Chefin nicht abgesehen: „Ich möchte vor allem attraktiver für die Göppinger selbst werden.“

Kinder bringen Eltern mit

Dabei weiß Ardjah, die früher für die Städtische Galerie Karlsruhe gearbeitet hat, dass die Publikumsstruktur in einer Kleinstadt anders ist als in Metropolen. „Wir haben hier keine Kunstakademie, Universitäten oder andere Museen.“ Umso wichtiger sei eine gute Vermittlungsarbeit. Gegen starke externe Mitbewerber um die Leitungsstelle hat sich die gebürtige Norddeutsche nicht nur deswegen durchgesetzt, weil sie einen Teil ihrer Kindheit in Göppingen verbracht hat und die Stadt gut kennt. Ardjah bringt auch museumspädagogische Erfahrung mit. In dieser Funktion war sie bereits zwischen 2003 und 2007 an der Kunsthalle tätig.

Ein Teil von ihr, sagt sie, denke auch als Kuratorin noch pädagogisch. Deswegen bemühe sie sich etwa, das Führungsangebot weiterzuentwickeln. „Kürzlich haben wir iPads angeschafft, um die didaktischen Möglichkeiten der Neuen Medien stärker nutzen zu können.“ Die Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten etwa, so hat die Ausstellungsmacherin beobachtet, zahle sich nicht nur aus, weil dadurch das Museumspublikum von morgen heranwachse. „Wenn die Kinder zu Hause von ihrem Besuch erzählen, kommen hinterher oft auch die Eltern.“

Mehr interdisziplinäre Projekte

Ardjah will indes nicht nur die Stadt ins Museum holen, sondern auch das Museum in die Stadt bringen – durch Kunst im öffentlichen Raum. Aktionen wie zuletzt von Sonja Alhäuser, die in Göppinger Geschäften Zeichnungen zeigte, will Ardjah häufiger realisieren. Fürs Museum selbst wünscht sie sich mehr thematische Projekte, gern auch interdisziplinärer Art wie aktuell bei der Tanzausstellung. „Damit sprechen wir weitere Kreise an als mit monografischen Ausstellungen.“

Relevante Einzelpositionen werden aber weiterhin einen Platz bekommen. Besonders liegt der designierten Hausherrin weibliche Kunst am Herzen. Hier, findet sie, könne Göppingen noch mehr bieten, nicht nur im Ausstellungsprogramm, auch bei der eigenen Sammlung. „Es gibt so viel eigenständige Kunst von Frauen. Die verdient es, gezeigt zu werden.“

Info: Die aktuelle Ausstellung ist bis zum 24. März zu sehen: Di–Fr 13–19 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 11–19 Uhr. Eine Themenführung mit Melanie Ardjah gibt es am 10. März um 15 Uhr.