30 Neuntklässler des Hohenstaufen-Gymnasiums stellen auf dem Göppinger Hauptfriedhof eine Skulptur in Form einer Gedenkplatte auf, um an die Zwangsarbeiter zu erinnern.

Göppingen - Sie schufteten unter schrecklichen Umständen und starben in der Fremde: 67 Zwangsarbeiter, die während des Zweiten Weltkriegs nach Göppingen verschleppt wurden, sind auf dem Hauptfriedhof begraben. Mit einer Skulptur in Form einer Gedenkplatte wollen 30 Neuntklässler des nahegelegenen Hohenstaufen-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Uli Gsell die Erinnerung an diese Menschen wachhalten und zum Nachdenken anregen.

 

Die Idee kam den Schülern, als sie das Gräberfeld im Geschichtsunterricht besuchten. „Ihnen ist aufgefallen, dass es verwahrlost war“, berichtet Kerstin Schaefer. Sie ist bildende Künstlerin und die von der Bundeskulturstiftung finanzierte sogenannte Kulturagentin für Göppingen. Kulturagenten arbeiten in vielen Querschnittsbereichen – sie moderieren, referieren und leiten Workshops. Sie geben Erfahrungen weiter und vernetzen sich mit Akteuren der kulturellen Bildung. Die 45-Jährige hat das Projekt am Hohenstaufen-Gymnasium begleitet.

Die Erinnerungsskulptur wiegt rund 400 Kilogramm

Gemeinsam mit Uli Gsell aus Ostfildern im Kreis Esslingen und dem Geschichtslehrer Jonas Takors haben sich die Jugendlichen an die Arbeit gemacht und eine Erinnerungsskulptur geschaffen. Auf der rund 400 Kilogramm schweren Betonplatte stehen Worte wie Angst, Traurigkeit, Hoffnung oder Heimweh auf Deutsch, Polnisch und Russisch – Assoziationen zum Thema Zwangsarbeit. Die Betrachter sollen sich in die Situation der Zwangsarbeiter hineinversetzen können, erklärt Gsell. Die Anordnung und die Beschaffenheit der Worte sollen sie dazu anregen, langsam zu lesen; und sie sollen um die Platte herumgehen. „Texte, die man fertig serviert bekommt, werden oft gelesen und gleich wieder vergessen“, sagt der Bildhauer.

Die Buchstaben sind teils als Hoch- und als Tiefreliefs gearbeitet. „Dadurch entsteht eine Bewegtheit“, erklärt Kerstin Schaefer. Es stünden bewusst keine Fakten darauf. „Es ist also eine künstlerische Arbeit; keine Gedenkplatte, sondern ein skulpturales Mahnmal, das ein wenig an eine Grabplatte erinnert.“ Hinzu komme, dass die Schüler die Worte in verschiedenen Schriften geschrieben hätten. Dadurch solle verdeutlicht werden, dass es sich bei den Zwangsarbeitern um viele individuelle Schicksale gehandelt habe, ergänzt Gsell.

Innerhalb von vier Tagen ist die Skulptur entstanden

Den Schülern, die sich in der neunten Klasse mit der NS-Zeit befassen, seien diese Lebensgeschichten offenbar nahe gegangen. „Sie haben festgestellt, dass das ein ganz dunkles Kapitel der deutschen Geschichte ist“, berichtet Schaefer. Viele Jugendliche seien sehr überrascht gewesen, als sie von den Ereignissen erfahren hätten, die zudem nicht nur weit weg, sondern auch in der direkten Nachbarschaft passiert seien. Die meisten Zwangsarbeiter in Göppingen waren Kriegsgefangene oder sogenannte Ostarbeiter aus der Sowjetunion. Ihre Unterbringung in bewachten Baracken war vorgeschrieben. Nur die Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft und im Handwerk lebten in den Haushalten ihrer Arbeitgeber. Viele der Verschleppten sahen ihre Heimat nie wieder.

Hergestellt wurde die Skulptur innerhalb von vier Tagen. Die Buchstaben wurden als Negative in eine Gummimatte geschnitten, die in eine Form gelegt und mit flüssigem Beton gefüllt wurde. Bis jetzt steht das Werk mit den Maßen 90 mal 70 mal 30 Zentimeter noch im Sporthallenfoyer. Für den Transport stellt Uli Gsell das passende Gerät bereit.

Aufgestellt werden soll die Skulptur am Rand des Gräberfelds. Damit wollen die Neuntklässler ihr Engagement im Zusammenhang mit den Gräbern der Zwangsarbeiter aber nicht beenden. Weil die Grabpflege in den vergangenen Jahren offenbar zu wünschen übrig gelassen hat, wollen sich die Jugendlichen in Zukunft darum kümmern. Genau so solle es sein, freut sich die Kulturagentin Schaefer. „Wir geben den Anstoß, und die Schüler nehmen es auf.“