Peter Konwitschnys „Götterdämmerung“-Inszenierung machte vor 13 Jahren Furore. Jetzt ist die Wagneroper wieder im Stuttgarter Spielplan. Dabei sitzt das hohe C und die Oper wird großartig dirigiert von Marc Soustrot.

Vor dreizehn Jahren beschloss die „Götterdämmerung“ in der Regie von Peter Konwitschny ein viel beachtetes Wagner-Experiment. Das war als solches zunächst nicht geplant gewesen. Der Intendant Klaus Zehelein hatte in einer Notlage – er hatte sich mit dem vorgesehenen Regisseur Johannes Schaaf verkracht – zur, wie er alsbald propagandistisch aufgerüstet verkündete, einzig möglichen Lösung gefunden: für jeden Abend des Vierteilers ein anderer Regisseur! In einer Zeit, in der „die Teleologie von Geschichte, die Zielgerichtetheit historischer Entwicklung so fragwürdig geworden ist“, so Zehelein, müsse man sich von der „Ideologie des Werkbegriffs“, wie ihn Richard Wagner mit seinem Verweissystem der Leitmotive im „Ring des Nibelungen“ geleistet habe, verabschieden. Dem schillernden Verkäufer Zehelein war zu seiner Zeit tatsächlich kaum ein Intendant ebenbürtig.

 

Sei’s drum. Es war damit zu rechnen, dass die individuellen szenischen Lösungen von Joachim Schlömer, Christof Nel, Jossi Wieler/Sergio Morabito und Konwitschny unterschiedlich gelingen würden: am Ende toppte die „Götterdämmerung“ alle anderen. Konwitschnys Verfremdungsmomente waren szenisch und vor allem in der Figurenzeichnung schlagend produktiv. Ein Wurf – bis auf den problematischen Schluss als Konzertstück.

Zuletzt im Oktober 2005 hier gezeigt, wurde nun die „Götterdämmerung“ als Beitrag zum Wagner-Jahr wieder in den Spielplan aufgenommen. Peter Konwitschny selbst war nach Stuttgart gekommen, hatte knapp zwei Wochen geprobt – denn alle Rollen waren neu besetzt worden.

Bis ins Kleinste hält sich die Inszenierung ans Regiebuch

Der erinnernde Vergleich mit der Erstbesetzung zeigt, wie ausgeprägt er ein Regisseur ist, der sich bei einer Inszenierung vom Temperament, der körperlichen Plastizität seiner Singdarsteller inspirieren lässt. Nach dem damals verspielt auf den Putz hauenden Siegfried-Schlacks von Albert Bonnema wirkt Stefan Vinke im Bärenfell heute stabiler, gemütvoller, und reizt so das komische Potenzial des Vorspiels mit Küchentisch vor heimeligem Deutschen-Wald-Panorama nicht ganz aus.

So poliert bis in kleine Details die Aufführung sich ans Regiebuch hält: neue Darsteller verändern den Tonus der Aufführung – nicht alle zum Besseren. Besonders das subtile Beziehungsspiel der Gibichungen leidet unter flacher Charakterisierung. Auch wenn respektabel gesungen wird, aber selten wissend, die Worte wägend: Attila Juns rauem Hagen fehlt das Sinistre, Shigeo Ishino trifft als Gunther kaum die Mischung aus Angst, Machtbegehren und Feigheit. Simone Schneider fügt sich als treudeutsche Gutrune in Goldlamé überzeugender ein; bei ihrem Wechsel ins jugendlich-dramatische Fach ist noch nicht alles so locker gebacken wie der Guglhupf für den Helden zur Hochzeit.

Die Besetzung der Waltraute mit Marina Prudenskaja bedeutet sängerisch und darstellerisch auf alle Fälle ein Fortschritt, auch die Rheintöchter zaubern neckische Dreiklänge – Lini Gong als Einspringerin in Stundenfrist fügt sich als Woglinde toll ein. Der Siegfried von Stefan Vinke, der sich bald freispielt, bleibt vokal ein unsteter Held: mal singt er ein schallendes hohes C, dann ist sein Tenor trocken, resonanzarm.

Das Staatsorchester spielt in Weltklasseform

Kein Problem mit hohen Cs gab es beim wunderbaren Herrenchor der Staatsoper, überhaupt wurde der zweite Akt zum Höhepunkt des Abends. Der schon nach den Pausen begeistert gefeierte Dirigent Marc Soustrot leitete mit Albatrosarmen eine bis zum Trauermarsch exemplarisch disponierte Aufführung, nie dröhnend, den Klangverfeinerungen auf der Spur, wagte das Risiko des phrasierenden Schlags. Das Staatsorchester, endlich frei atmend nach früheren Zwangsjacken, dankte es ihm mit grandiosen Momenten (schweres Blech, Hörner, Solotrompete) und immer wieder intimer Wärme – herausragend die Balancen und Nuancen in Hagens Nachtszenen.

Schließlich Irmgard Vilsmaier als Brünnhilde mit einem viel versprechenden, ja großartigen Rollendebüt : warmherzig, intelligent, wortgenau, darstellerisch präsent. Ihr Sopran strömt in der gut platzierten Mittellage frei, ist tragfähig und belastbar. Noch hakt das Umschalten zu den Tönen überm System wenn es dramatisch wird, bricht die Vollhöhe aus. Der szenische Antischluss, macht es der einsamen Brünnhilde im hellen Licht schwer – am Ende half Vilsmaier nur eiserner Wille. Aber das wird. Ein großer Abend.