Bei den Golden Globes sind „The Banshees of Inisherin“ und „The Fabelmans“ die Abräumer des Abends. Ein glorreiches Comeback legt das Event, das wegen mangelnder Vielfalt und zahlreicher Skandale in die Kritik geraten war, aber nicht hin.

Es war ein ziemlicher Spagat, den die Verleihung der Golden Globes leisten musste, die in der Nacht auf den Mittwoch zum achtzigsten Mal in Los Angeles stattfand. Einerseits war die Devise unverkennbar „business as usual“: eine glamouröse Show mit jeder Menge Stars aus Film und Fernsehen in eleganter Abendgarderobe, die sich gegenseitig zujubeln. Doch andererseits galt es eben auch zu beweisen, dass die Hollywood Foreign Press Asscociation (HFPA), jene die Globes vergebende Vereinigung von Auslandsjournalisten in Kalifornien, sich nach den Skandalenthüllungen der zurückliegenden zwei Jahre tatsächlich irgendwie verändert hat.

 

Mit Steven Spielbergs autobiografischem „Die Fabelmans“ als bestem Drama und „The Banshees von Inisherin“ von Martin McDonagh als bester Komödie wurden dann zwei Filme zu den Abräumern des Abends, die auch bei den für Mitte März angesetzten Oscars als Favoriten gelten. Spielberg wurde obendrein – zum dritten Mal in seiner langen Karriere – für die beste Regie und McDonagh für das beste Drehbuch ausgezeichnet. So gerührt und begeistert, wie die beiden sich bei der HFPA bedankten, dürfte ein Fazit des Abends sein, dass Hollywood noch immer ein Ort ist, an dem man nur allzu gerne bereit ist, zweite Chancen einzuräumen.

„Ich bin nur hier, weil ich schwarz bin“

Einfach unter den Teppich gekehrt wurden die massiven Schwierigkeiten der HFPA allerdings nicht, die im vergangenen Jahr sogar dazu geführt hatten, dass der übertragende Sender NBC die Show komplett absagte. „Ich bin nur hier, weil ich schwarz bin“, sagte der als Moderator engagierte Komiker Jerrod Carmichael gleich zur Begrüßung. „Eben saß ich noch gemütlich zu Hause und trank meinen Pfefferminztee, nun bin ich plötzlich das Vorzeigegesicht einer ins Straucheln geratenen weißen Organisation!“

Kritisch beäugt worden war die HFPA seit jeher. Eine Gruppe von nicht einmal 100, teilweise längst nicht mehr aktiven Journalistinnen und Journalisten entscheidet über einen Preis, der nicht zuletzt dank des lukrativen TV-Deals eine weit über die Branche hinausreichende Marketing-Power erreicht hatte? Das war auch deswegen fragwürdig, weil es kein Geheimnis war, dass die Truppe sich nur allzu gerne von Filmstudios und Sendern um die Welt fliegen oder beschenken ließ und stets offensiv die Nähe der Stars suchte. Dass man sich innerhalb der Organisation mit gut bezahlten Gremienposten versorgte und gezielt qualifizierten Kollegen die Aufnahme verweigerte, verursachte zusätzlich Unmut. Der Vorwurf des Rassismus brachte dann das Fass zum Überlaufen: Nicht nur wurden schwarze Kreative bei den Globes oft übergangen, sondern es fand sich auch kein einziges schwarzes Mitglied in den eigenen Reihen.

Cate Blanchett schob Terminprobleme vor

Eine Weile lang wurde die HFPA daraufhin öffentlichkeitswirksam boykottiert; der in diesem Jahr wieder nominierte, aber abwesende Tom Cruise schickte sogar seine drei Trophäen zurück. Viel geblieben ist davon nicht. Lediglich der als bester Hauptdarsteller nominierte Brendan Fraser hatte im Vorfeld angekündigt, der diesjährigen Golden-Globes-Verleihung fernzubleiben. Doch das hatte eher persönliche Gründe, schließlich hatte er schon vor Jahren einem HFPA-Mitglied Belästigung vorgeworfen.

Auch unter den Gewinnern fanden sich einige, die nicht in Beverly Hills erschienen waren: Cate Blanchett, für „Tár“ als beste Hauptdarstellerin/Drama geehrt, schob ähnlich wie die für ihre TV-Hauptrollen ausgezeichneten Zendaya („Euphoria“) und Amanda Seyfried („The Dropou“) Jobtermine vor, Kevin Costner („Yellowstone“) massive Regenstürme, die ihn nicht aus Santa Barbara wegkommen ließen.

Aus deutscher Sicht gibt es nichts zu feiern

Ansonsten schienen es alle Anwesenden mit Carmichaels Motto zu halten: „Ich bin nicht wegen der HFPA hier, sondern wegen euch. An diesem Abend dürfen wir uns feiern – und das hat unsere Branche sich verdient!“ Tatsächlich gab es jede Menge Gewinnerinnen und Gewinner, denen man die Momente im Rampenlicht nur allzu sehr gönnte, von Michelle Yeoh und Ke Huy Quan, den Stars aus der actionreichen Fantasy-Komödie „Everything everywhere all at once“, die genau wie „The white Lotus“-Nebendarstellerin Jennifer Coolidge in ihren jahrzehntelangen Karrieren manche Tiefs zu durchlaufen hatten, bis hin zu Quinta Brunson, die mit ihrer Sitcom „Abbott Elementary“ einen der Überraschungserfolge der letzten Jahre landen konnte. Nur aus deutscher Sicht gab es nichts zu feiern: Ed Bergers Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ zog bei den fremdsprachigen Filmen unerwartet gegen „Argentina 1985“ den Kürzeren.

Hang zu fragwürdigen Deals

Den Golden Globes ein glorreiches Comeback zu attestieren wäre trotzdem voreilig. Auch nach der Aufnahme neuer, nicht nur weißer Mitglieder, jeder Menge Diversitätsschulungen und dem Verzicht auf die Annahme von Geschenken scheint die HFPA weiter zu fragwürdigen Deals zu neigen.

Dass die einstige Non-Profit-Organisation inzwischen dem Unternehmer Todd Boehly gehört, macht hellhörig. Denn der zahlt nun den HFPA-Mitgliedern ein stattliches Gehalt – und ist gleichzeitig unter anderem an der Firma A24 beteiligt, die etwa den doppelt ausgezeichneten „Everything everywhere all at once“ produzierte. Interessenkonflikte mit Skandalpotenzial sind also auch weiterhin programmiert.

Die wichtigsten Preisträger auf einen Blick

Bestes Filmdrama:
 „The Fabelmans“

Beste Komödie/Musical:
„The Banshees of Inisherin“

Beste Regie:
Steven Spielberg („The Fabelmans“)

Bester Schauspieler in einem Filmdrama:
Austin Butler („Elvis“)

Beste Schauspielerin in einem Filmdrama:
Cate Blanchett („Tár“)

Bester Schauspieler in einer Komödie/Musical:
Colin Farrell („The Banshees of Inisherin“)

Beste Schauspielerin in einer Komödie/Musical:
Michelle Yeoh („Everything everywhere all at once“)

Bester nicht englischsprachiger Film:
„Argentina, 1985“ (Argentinien)