Der Echterdinger Arzt und Heimatforscher Hans Huber ist seit 50 Jahren im Gemeinderat tätig. Den Rekord teilt er sich mit einer Kollegin aus Singen am Hohentwiel.

Echterdingen - Es ist kalt an diesem Oktober-Montag, lausig kalt. Hans Huber steht im Sakko vor seinem Haus, das er „Haus der Erinnerungen“ nennt – weil er zu jedem Bild an der Wand eine Geschichte erzählen könnte; und Bilder gibt es dort en gros. Die Minusgrade stören Huber nicht. Der 86-Jährige fegt behände die Treppe. „Damit Sie nicht auf dem Laub ausrutschen“, klärt er den Besucher auf.

 

An Hans Huber kommt keiner vorbei, der sich mit Echterdingen beschäftigt – aus mindestens zwei Gründen. Der erste: Der Mediziner kennt sich aus im Flecken wie kaum ein zweiter, ist eine wichtige, kaum verzichtbare Quelle, insbesondere für das Stadtarchiv. Der zweite – und wahrscheinlich bedeutendere: Huber schreibt, mit klugem, mitunter starrsinnigem Kopf, an der Ortsgeschichte wesentlich mit. Er ist nun unvorstellbare 50 Jahre Mitglied des Gemeinderats. Am 4. November 1962 nahm er erstmals auf einem Stuhl im Ratssaal Platz.

Nach ein paar Viertele überredet

Wie er zur Politik kam, ist dem rüstigen Senior, der neuerdings darüber klagt, dass er mit seinen beiden jüngsten Söhnen – 13 und 16 Jahre alt – „bei Wanderungen nicht mehr richtig mithalten“ könne, noch genau präsent: „Ich hab’ 1962 bei einer Versammlung eine freche Gosch’ gehabt.“ Kurz darauf hätten dann Mitglieder seines im 19. Jahrhundert gegründeten und bis heute existierenden Stammtisches „auf mich eingeredet, mich für den Gemeinderat aufstellen zu lassen.“ Ein paar Viertele später hatten die Unabhängigen Bürger, Vorläufer der Freien Wähler, einen neuen, hinten auf der Liste platzierten Bewerber. „Damals war ich noch so naiv, dass ein hinterer Platz ungefährlich ist“, sagt Huber. Wie ungefährlich, weist das Wahlergebnis aus: „Der Doktor“, wie Huber im Ort genannt wird, holte aus dem Stand die meisten Stimmen.

Der Arztberuf brachte es mit sich, dass Huber damals wie heute – zweimal die Woche hält er immer noch eine Sprechstunde ab – meist erst mit dem Ende des 18-Uhr-Läutens der Stephanuskirche im Sitzungssaal erscheint. Auch haben einige Kinder, während der Gemeinderat weitertagte, mit Hubers Hilfe das Licht der Welt erblickt. „Anschließend bin ich dann wieder ins Rathaus zurückgeeilt“, erinnert er sich an alte Zeiten.

Seit 1984 Fraktionsvorsitzender

Im Rat spielte Huber eine von Wahl zu Wahl wichtigere Rolle. Schon bei seiner ersten Wiederwahl war er Stimmenkönig in Echterdingen. Erfolge, die dem seit 1984 der Fraktion vorstehenden Stadtrat bis Mitte der 90er-Jahre während der Messediskussion niemand streitig machte. Sein Plädoyer für Verhandlungen mit dem Land habe man ihm „dann übel genommen“.

Über negative Erfahrungen mit der Kommunalpolitik reflektiert Hans Huber allerdings nicht gern. Das widerspricht seiner Maxime. „Die positiven Erinnerungen machen das Leben farbig“, sagt er. „Die schlechten, wie etwa an Krankheiten oder Enttäuschungen mit Menschen, verdränge ich lieber“. Dennoch gibt er zu: „Es hat hin und wieder Krisen gegeben und die Überlegung, einen Schlussstrich unter die Gemeinderatsarbeit zu ziehen. Aber die Freien Wähler haben mich dann überzeugt, dass sie mich brauchen.“

Neun Kinder, 17 Enkel

In solchen Momenten denkt der Vater von neun Kindern und Großvater von 17 Enkeln an das Positive in der Politik, etwa an das Nachtstartverbot am Flughafen, das man auf seinen Antrag hin dem Stuttgarter OB Arnulf Klett 1967 als Gegenleistung für einen Landekurssender abgerungen hat, später die Rettung der Weidacher Höhe vor der Abholzung oder den Bau des Gymnasiums, das ursprünglich eine Realschule werden sollte. Als schwerste politische Niederlage führt Huber den „furchtbaren Bau“ des neuen Echterdinger Rathauses an, für den ein Fachwerkhaus aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg abgebrochen wurde.

Goldenes Gemeinderatsjubiläum, das bedeutet auch unzählige „Nachsitzungen“ mit dem Konsum der Huberschen Spezialität – Malteser mit Knoblauchzehe – und einen Landesrekord. Den hält das Echterdinger Urgestein jedoch nicht allein. Der baden-württembergische Städtetag würdigt am Montag auch Emmi Kraus aus Singen (Hohentwiel), die ebenso lange tätig ist.

Die Zeit rennt davon

Der Feier bleibt der Jubilar jedoch eingedenk der Erfahrung vor zehn Jahren fern. „Dafür ist mir meine Zeit zu kostbar“, lässt er die Veranstalter wissen. „Die rennt mir nämlich langsam durch die Finger“, sagt er und verweist auf verschiedene Sachen, die er „noch zu Ende bringen“ möchte, darunter zwei angefangene Bücher.