Der bestbezahlte Sportler der Welt übernimmt beim Masters die ungewohnte Rolle als krasser Außenseiter. Ein Sieg des über Jahre hinweg dominierenden Golfers in Augusta käme einer Sensation gleich.

Augusta - Er sagt, sein Spiel sei gut genug, um hier zu gewinnen. Tiger Woods ist optimistisch. Er ist gut gelaunt. Er gibt den Siegertyp im Augusta National Golf Club, wo an diesem Donnerstag mit dem US Masters das erste Majorturnier der Saison beginnt. In gewisser Weise ist dies also der Tiger Woods, den man aus all den Jahren kennt: Ein Mann, der nie von Zweifeln oder Schwächen spricht. Ein Vollprofi, hinter dessen Miene man nie die wahren Gedankengänge errät. Bei genauer Betrachtung nämlich müssten den 39-Jährigen, der dieses Turnier bereits viermal gewonnen hat, eigentlich Zweifel plagen.

 

Noch immer beherrscht der Amerikaner wie zu seinen besten Zeiten bei jedem seiner Turnierstarts die Schlagzeilen. Die Sache ist nur: wo sich sonst Bewunderung und Staunen über Rekordrunden, fantastische Schläge und perfekte Puttserien ausdrückten, bestimmen jetzt Negativleistungen, Verletzungen und Expertenzweifel die Berichterstattung. Der Blick auf die letzten Monate von Tiger Woods lässt eigentlich auch gar nichts anderes zu.

Abgerutscht auf Position 111

Seit den British Open im Juli 2014 hat der Kalifornier kein Turnier mehr bis zum vierten Tag bestritten. Der letzte Majorsieg datiert aus dem Jahr 2008, der letzte Turniererfolg reicht ebenfalls eineinhalb Jahre zurück. In der Weltrangliste ist jener Mann, der den ersten Platz einst für sich abonniert zu haben schien, auf Position 111 abgerutscht. Unter ferner liefen sozusagen.

Tiger Woods hat die Formkrise nach seinen beiden letzten katastrophalen Turnierstarts in Arizona und Kalifornien zugegeben: „Mein Spiel und meine Ergebnisse sind nicht akzeptabel“, ließ er da wissen. In Phoenix hatte er mit einer 82 die schlechteste Runde seiner Profikarriere gespielt. In Torrey Pines brach er wegen Rückenproblemen nach zwölf Löchern ab. Sowohl seine Mitspieler als auch zahlreiche Fachleute bescheinigten ihm anschließend angesichts einiger stümperhafter Chips die Krankheit „Yips“, ein unkontrolliertes Zuckeln der kleinen Handmuskeln.

„Das Chipping ist gut“, ließ Woods nun am Dienstag in Augusta alle Zweifler wissen, ohne das Thema Yips zu thematisierten. „Ich habe mich gut gefühlt. Es war schön, da raus zu gehen.“ Und so absolvierte er am Dienstag eine Proberunde vor tausenden von Zuschauern, die speziell seine kurzen Schläge genau beobachten. Es war, als wollte der 39-Jährige absichtlich demonstrieren, dass dieser vermeintliche Yips nur Schwarzmalerei sei. Er chippte und pitchte an jedem Grün aus diversen Lagen an die Puttfläche, ließ den Ball mal sanft aufs Gras rollen, steuerte dann die Fahne mit einer hohen Flugbahn an. „Ich wollte ein paar Wedges austesten“, begründete er die zahlreichen Probeschläge. Am Ende hatte er wohl die richtigen Schläger gefunden.

Der Masters-Sieg käme einem Wunder gleich

Jetzt geht es darum zu beweisen, dass sein Spiel auch unter Druck den Anforderungen Stand hält. Wenn Tiger Woods am Donnerstag als einer der sechs letzten Spieler auf die Runde geht, wird sich die Aufmerksamkeit der Fans und Medien allein auf ihn richten. Die Leistung der Konkurrenten Rory McIlroy, Bubba Watson oder Jordan Spieth, die eigentlich als Top-Favoriten in Augusta National gelten, dürfte eine Weile lang unbedeutend werden.

Sollte sich der 39-Jährige am Ende des Tages irgendwo in der Nähe dieser drei Herren befinden, müsste man dieses wohl schon als Erfolg werten. Ein Sieg des Amerikaners käme einem Wunder gleich, selbst eine Top-Ten-Leistung erscheint trotz seiner eigenen Beteuerungen unwahrscheinlich: „Ich befinde mich jetzt auf dem richtigen Weg. Das alles ist ein Fortschritt“, meint er selbst. Ich hatte das Gefühl, dass ich mein Spiel auf ein Niveau bringen musste, wo es mir möglich ist, ein Turnier zu gewinnen, und da bin ich jetzt endlich.“

Seinen zuletzt desaströsen Leistungen zum Trotz sind sich viele seiner Mitspieler offenbar ebenfalls nicht ganz sicher, ob der Superstar nicht doch noch einmal mit einem wundersamen Comeback für eine Überraschung sorgt: Einer Umfrage des Sportsenders ESPN zufolge glaubten 62,1 Prozent von 103 befragten Profis, dass Woods vor seinem Rückzug aus dem Profisport noch ein Major gewinnen werde. Gänzlich abschreiben will man ihn eben doch noch nicht.