Während die Fans nach St. Andrews in Schottland zu „The Open“ ­blicken, kämpft die Sportart in Deutschland nach Jahren des Wachstums gegen einen Abwärtstrend. Der Deutsche Golf-Verband (DGV) will mit neuen Angeboten und einer Imagekampagne neue Mitglieder gewinnen.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Die schöne Bescherung gab es für die deutsche Golfszene im vergangenen Jahr schon am Abend des 21. Dezembers. In Baden-Baden wurden da nämlich Deutschlands „Sportler des Jahres“ gekürt, und es gewann zur Überraschung fast aller Beteiligten der Diskuswerfer Robert Harting. Martin Kaymer, 2014 Sieger beim Major-Turnier US Open mit acht Schlägen Vorsprung, Gewinner des Rydercups mit Europa, erfolgreich bei den Players Championships und dem Grand Slam of Golf, wurde Vierter. „Martin Kaymers Golferfolge sind hierzulande nur Blech wert“, empörte sich die „Golfpost“. Die Golf-Szene war (verständlicherweise, wie einige finden) erbost über die mangelnde Wertschätzung für ihren Superstar.

 

Martin Kaymer wird eher selten als Star erkannt

Martin Kaymer, 30, ist einer der bekanntesten deutschen Sportler, zumindest in Ländern, in denen Golf eine große Nummer ist (was in ziemlich vielen der Fall ist). In Deutschland, so hat er kurz vor den British Open in St. Andrews der „FAZ“ erzählt, gehe es aufwärts mit seinem Bekanntheitsgrad, er werde öfter erkannt. Aber er sagt: „Ich bin eigentlich ganz froh darüber, dass ich immer noch ganz normal in Düsseldorf in die Kneipe gehen oder an der Pommesbude um die Ecke Gyros essen kann.“

Dem Golf-Superstar sei das gegönnt, den meisten Verantwortlichen im deutschen Golf wäre es aber wohl lieber, wenn der Ausnahmespieler aus Mettmann in einer Aufmerksamkeitsliga mit dem Basketballer Dirk Nowitzki oder all den Fußballstars spielen würde. Denn das wäre ja auch eine Wertschätzung für den Sport.

Das nationale Golfrudel hat ohnehin gerade Probleme. Hinter der Sportart liegen Boomjahre des hemmungslosen Wachstums mit Zuwachsraten wie man sie sonst nur von den überhitzten Kapitalmärkten kennt. Waren im Deutschen Golf-Verband (DGV) im Jahr 1998 noch rund 318 000 Spieler organisiert, hatte der DGV 2005 bereits 507 000 Mitglieder, im vergangenen Jahr wies die offizielle Statistik für den Verband fast 640 000 Mitglieder aus.

Der Golfsport ist in einer Abwärtsspirale

Aber die Goldgräberzeit ist vorbei. 2014 gab es erstmals seit Beginn der Erhebung der Zahlen, dem Jahr 1951, ein Wachstum nahe null – nur um 0,2 Prozent waren die Zahlen gestiegen. Ist das Maximum also erreicht? Das glauben viele Experten nicht. Die Beratungsagentur KPMG bezeichnete in einer Studie 2010 den Golfstandort Deutschland noch als „schlafenden Riesen“, Profi Marcel Siem nannte die BRD mal ein „Entwicklungsland“.

Das Problem? Grundsätzlich, so sagt Simon Schmugge, habe sich der Sport in Deutschland sehr gut entwickelt. „Die Leistungsdichte ist größer geworden“, sagt der Geschäftsführer des Golfclubs Solitude, dessen Mannschaften alle in der jeweils höchsten Liga spielen. Aber: „Der Golfsport befindet sich in einer Abwärtsspirale. Viele Clubs müssen um Mitglieder kämpfen. Wir stehen vor der Herausforderung, neue Golfer zu generieren“, sagt Schmugge.

Ein wichtiger Faktor, den Status quo zumindest zu halten oder sogar weiter Zulauf zu finden, ist neben des grundsätzlichen Problems des immens hohen Zeitaufwands für Golf der altbekannte Kampf gegen Stereotypen. Das Image ist allen Bemühungen zum Trotz eine Katastrophe. Während die meisten Sportarten einen interessieren oder eben auch nicht, polarisiert Golf.

Die Golfer kämpfen mit einem Imageproblem

Das ist das Ergebnis einer Imagestudie, die der DGV 2013 in Auftrag gab (siehe Grafik). 54 Prozent der Nicht-Golfer gaben in der repräsentativen Umfrage an, eine negative Meinung über den Sport zu haben, nur 14 Prozent bewerten Golf positiv. Während in Skandinavien, Großbritannien oder den USA Golf nicht als reine Jet-Set-Sportart gilt, ist das Image bei uns genau das: Wer nicht Golf spielt, hält Golfer für elitär, die Sportart für teuer und für eine Beschäftigung für Snobs und Angeber, so die Studie. Wer golft, muss sich oft entsprechende Sprüche anhören. Wobei es auch Stimmen gibt, die fragen, ob Golf denn eigentlich wirklich weiter wachsen muss und wozu.

Der DGV, immerhin die Nummer zehn unter den deutschen Verbänden, will wachsen. 2014 hat er das „Programm 2018“ ins Leben gerufen, um die Sportart stärker im Bewusstsein zu verankern und vom elitären Rand ein wenig Richtung Mitte der Gesellschaft zu rücken. Neben einem leichteren Zugang für Einsteiger sieht die Agenda vor allem eine Imagekampagne vor. Der DGV zielt neben jungen Leuten auch auf die Altersgruppe Ü 50, ein potenzieller Millionenmarkt, den es weiter zu erschließen gilt. Deshalb liefen im Frühjahr im Vorlauf der „Tagesschau“ Werbespots unter dem Motto „Golf. Mitten ins Glück“, kombiniert mit Schnupperangeboten in den Golfclubs.

Im Fernsehen ist Golf bisher ein Sport fürs Spartenpublikum im Pay-TV. „Sky“ hält die meisten Golfrechte und zeigt viele Stunden, aktuell „The Open“. Die Masse wird damit aber nicht erreicht. Bei Olympia 2016 ist Golf erstmals seit 1904 wieder im Programm und wird so ein Teil der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung sein.

In Deutschland gibt es rund 380 öffentliche Golfplätze

Massenmedien seien wichtig, findet auch Simon Schmugge, allein entscheidend seien sie aber nicht: Es gehe um den Zugang zum Golf. Haben Interessierte erst einmal einen Schläger in der Hand gehabt, wird der faszinierende Sport viel positiver bewertet. „Viele wissen gar nicht, dass es sehr viele öffentliche Plätze gibt ohne die strenge Etikette und so weiter“, sagt Schmugge. Rund 380 dieser Spielstätten verteilen sich über Deutschland, ohne die Auflagen wie in anderen Clubs. Die Zahl der clubfreien Golfer, die also nicht im DGV organisiert sind, wird auf circa 600 000 geschätzt.

Ein wichtiger Teil der PR-Offensive ist auch die Bewerbung mit Bad Saarow um den Kontinentalvergleich Rydercup 2022, eines der größten Sportereignisse der Welt. Die Chance, heißt es, sei recht gut. Wenn Deutschland den Zuschlag bekäme, könnte sich Golf hierzulande auf der größten denkbaren Bühne zu präsentieren. Das wäre eine schöne Bescherung für das Golfrudel.