Deutschlands Golfstar Martin Kaymer hat das Wunder von Medinah perfekt gemacht und mit dem Team Europa erneut den Ryder Cup gewonnen.

Medinah/Illinois - Martin Kaymer war nach dem Wunder von Medinah nicht mehr zu halten. Völlig berauscht über seinen alles entscheidenden Zwei-Meter-Putt sprang der neue Ryder Cup-Held dem Spanier Sergio Garcia in die Arme und rannte mit einer Deutschland-Fahne quer über den Platz. Ausgerechnet der zuvor verschmähte Rheinländer holte den entscheidenden 14. Punkt für Titelverteidiger Europa beim historischen 14,5:13,5-Comeback-Triumph gegen die USA. „Der Sieg bedeutet mir sehr viel. Vielleicht sogar mehr als mein Major-Sieg“, erklärte Deutschlands umjubelter Golfstar nach dem dramatischen Ende.

 

Europas Teamkapitän José Maria Olazabal weinte hemmungslos. Noch nie war es einem europäischen Team in den USA gelungen, einen 6:10-Rückstand am Schlusstag noch in einen Sieg umzuwandeln. Die amerikanischen Asse um Tiger Woods starrten entnervt und konsterniert zu Boden. „Epischer Kollaps unentschuldbar“, kommentierte die „Chicago Tribune“ den nicht mehr für möglich gehaltenen Zusammenbruch. Dank Kaymer bleibt die kleine goldene Trophäe bis zum 40. Ryder Cup in zwei Jahren im schottischen Gleneagles in Europa. Es war sein zweiter Erfolg nach dem Sieg 2010 in Wales.

Dabei hatte ihn Olazabal an den ersten beiden Tagen nur einmal eingesetzt. Kaymer wertete dies als Motivation. Um sich auf die fast unlösbar scheinende Aufgabe vorzubereiten, traf sich der 27-Jährige vorher mit Deutschlands Golf-Ikone Bernhard Langer. „Bernhard hat mir nur mit seiner Anwesenheit extrem viel geholfen“, sagte Kaymer. „Ich glaube nicht, dass ich ohne ihn mit dieser Einstellung ans erste Tee gegangen wäre.“

Die Europäer gingen wie ausgewechselt in die Einzel

Die Europäer gingen wie ausgewechselt in die zwölf Einzel. Anders als in den Team-Duellen an den ersten beiden Tagen zeigten sie Herz, Mut und Leidenschaft in ihrem Spiel. Nach den Siegen von Luke Donald, Ian Poulter, Rory McIlroy, Justin Rose, Paul Lawrie, Lee Westwood und Garcia führten die Titelverteidiger plötzlich mit 13:12. Jason Dufner glich für die Gastgeber aus. Die Europäer benötigten noch einen Punkt. Neben Kaymer war nur noch der Italiener Francesco Molinari (gegen Tiger Woods) unterwegs. Alles schaute auf Kaymer, der im vorletzten Match gegen Steve Stricker spielte. „José Maria kam auf der 16 zu mir und sagte dass wir meinen Punkt brauchen, ich soll ihn holen, egal wie“, sagte Kaymer.

Bereits nach neun Löchern hatte er gemerkt, dass „da heute was in der Luft liegt“. „Es war nicht mehr ganz so laut, die Scoreboards sahen gut aus und als es dann auf dem Scoreboard immer blauer wurde, habe ich mir geschworen, dass ich das Ding für Europa nach Hause bringe“, erzählte Kaymer. Am Schlussloch war es dann soweit. Der Sieger der PGA Championships von 2010 behielt die Nerven und verwandelte eiskalt den entscheidenden Putt zum Par.

Woods und Co. waren am Boden zerstört

Woods und Co. waren nach dem „schockierenden Ende“ (Boston Globe) am Boden zerstört. „Unser Team hat es nicht geschafft, den Cup zu gewinnen. Damit müssen wir jetzt leben. Glückwunsch an Europa. Das Team hat fantastisch gespielt“, gratulierte Woods. US-Kapitän Davis Love III. haderte mit sich selbst: „Dieses Spiel wird mich noch lange verfolgen.“

Olazabal widmete den Coup seinem Freund und spanischen Ryder-Cup-Hero Severiano Ballesteros, der im vergangenen Jahr an Krebs gestorben war. „Dieser Titel ist für ihn“, sagte Olazabal mit zitternder Stimme und brach danach in Tränen aus. „Ich weiß, wie viel José Maria dieser Sieg bedeutet, er war ein toller Kapitän und es ist genau so gekommen wie sein Freund es sich gewünscht hätte“, sagte Kaymer. Den anschließenden Feier-Marathon inklusive Champagnerdusche genoss er in vollen Zügen. Stundenlang feierten die europäischen Fans mit lauten „Olé, Olé“-Gesänge im Medinah Country Club die Euro-Stars.

Typisch Kaymer, dass er nach dem größten Erfolg seiner Karriere gleich wieder an die nächsten Aufgaben dachte: „Heute wird gefeiert und dann freue ich mich ab Mittwoch auf Dunhill. Für mich ist die Saison noch nicht vorbei.“