Wie aus dem Nichts gewinnt die deutsche Golferin Sophia Popov, die als Kind mit ihrer Familie nach Weingarten zog, die British Open und schreibt damit Sportgeschichte. Dabei hatte die 27-Jährige mit dem Thema Profisport schon fast abgeschlossen.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Da stand sie nun in Schottland mit einer Flasche Sekt in der Hand – und war sprachlos. „Ich kann kaum etwas sagen“, erklärte Sophia Popov, denn es war auf dem traumhaften Golfplatz im schottischen Troon schlicht und ergreifend so: Sie verstand die Welt nicht mehr. Sozusagen wie aus dem Nichts gewann sie die British Open. Und weil einer deutschen Spielerin bei einem Major-Turnier noch nie ein Sieg gelang, hatte Popov zu ihrem Überraschungserfolg auch noch Sportgeschichte geschrieben. Irgendwie hatte dieser Sonntag an der rauen, melancholischen Küste Schottlands etwas Unwirkliches für Sophia Popov. Sie wollte doch nur ein bisschen mitspielen. Ihre Ambitionen tendierten gegen Null.

 

Erst Anfang August qualifizierte sich die Golferin ebenso überraschend für die British Open, weil sie bei einem Turnier in Ohio eine Top-Ten-Platzierung erreichte – auch darüber wunderte sie sich schon. „Als ich hier angekommen bin, habe ich mir gesagt: Die British Open sind ein Bonus“, sprach die 27-Jährige, die schon glücklich darüber war, nur dabei zu sein. Jetzt ihren Namen im Tableau ganz oben zu sehen, wäre vor wenigen Wochen „noch völlig utopisch gewesen“, meinte sie noch. Zur Sektflasche, die sie ihr am späten Abend in Troon in die Hand gedrückt hatten, gab es noch einen wunderbaren Siegerscheck in Höhe von 575 000 Euro obendrauf.

Nur als Caddie unterwegs

Im Prinzip hatte Sophia Popov mit dem Thema Profisport schon abgeschlossen. Auf der regulären LPGA-Tour hatte sie zuvor noch nie einen Titel geholt, Ende 2019 verlor sie sogar ihre Startberechtigung, schlimmer geht’s nimmer. Überdies warf sie eine Lyme-Borreliose aus der Bahn. Bei einigen Turnieren war sie trotzdem noch dabei – allerdings nur als Caddie ihrer sehr guten Freundin Anne van Dam. Popovs bestes Major-Ergebnis war bislang ein zu vernachlässigender 57. Rang in Carnoustie, diese Platzierung fuhr sie aber schon im Jahr 2011 als Teenager ein. „Vor einem Jahr hätte ich fast mit Golf aufgehört – zum Glück habe ich das nicht getan“, sagt Popov jetzt, die in Troon von ihrem Lebenspartner Max Melhes als Caddie betreut wurde – und wie! „Ich war heute so nervös. Ich bin meinem Freund unendlich dankbar, dass er mir geholfen hat, ruhig zu bleiben“, lobte die Siegerin die motivierenden und beruhigenden Fähigkeiten ihres Partners.

Sophia Popov wurde in der Nähe von Boston geboren. Ihre Mutter ist Amerikanerin, ihr Vater Deutscher, auch ihre beiden Brüder sind Sportler – tauchen aber lieber ins Schwimmbecken ein als auf dem Golfplatz auf. Als Sophia Popov noch ein Mädchen war, zog die Familie nach Weingarten im Landkreis Ravensburg, inzwischen leben die Popovs wieder in den USA. Viel Zeit verbrachte sie damals im Golfclub St. Leon-Rot, in dem sie noch heute als Mitglied geführt wird. Ihr unfassbarer Sieg bei den British Open hat auch in dem nordbadischen Verein, den der Sport-Mäzen Dietmar Hopp gründete, für Feierstimmung gesorgt. „Sie hat eine lange Durststrecke gehabt, war oft verletzt – aber was sie zuletzt abgefeuert hat, ist der Wahnsinn“, findet Michael Ernst, der in St. Leon-Rot als Sportmanager tätig ist. „Sophia ist ein Supermädel – und im positiven Sinn eine Nummer für sich“, sagt Ernst noch über die aufgeweckte und im Club beliebte junge Frau.

Die Nummer 304 der Welt

Als Nummer 304 der Weltrangliste war Sophia Popov nach Schottland gereist. Sie wird jetzt wohl einen ordentlichen Sprung nach vorne machen. Abgesehen von den schon sehr üppigen Preisgeldern befindet sich das Frauengolf immer noch Schatten des Männersports, der von Weltstars wie Tiger Woods bestimmt wird. „Ich finde es toll, dass Sophia ihren Erfolg gerade in diesem Sport geschafft hat“, sagt Michael Ernst mit Blick auf einen nun erhofften Schwung für das Frauengolf in Deutschland. Ausgelöst durch einen völlig verrückten Sieg. Von Sophia Popov. In Schottland. Irgendwo an der Küste.