Deutschlands bester Golfer, Martin Kaymer, war ganz oben, schlitterte in eine sportliche Krise und hofft im Olympia-Jahr, Turniersiege und die Weltspitze wieder in Angriff nehmen zu können.

Stuttgart - Wer als Freizeitspieler auf Golfplätzen unterwegs ist, muss immer wieder an den großen amerikanischen Schriftsteller und Hobbygolfer Mark Twain („Huckleberry Finn“) denken. „Golf ist ein Spaziergang mit Ärgernissen“, sagte der Schriftsteller einst und meinte damit unter anderem die Schwierigkeit, einem sehr guten Schlag einen ähnlich starken folgen zu lassen.

 

Wie komplex, wie bereichernd, aber auch wie zermürbend der Golfsport sein kann, musste selbst Deutschlands bester Golfer Martin Kaymer erfahren. Zwar legte der 35-Jährige längst eine Weltkarriere hin, seine großen Erfolge aber datieren vom Beginn des vergangenen Jahrzehnts. Nach Bernhard Langer war er 2010 erst der zweite Deutsche, der über einen Major-Sieg jubeln durfte. Wie sein Idol Langer war auch Kaymer zwischenzeitlich die Nummer eins der Golfwelt (2011). Mit dem finalen Putt bei Europas Ryder-Cup-Sieg 2012 („Wunder von Medinah“) machte er sich in der Golfwelt unsterblich.

Es ist ruhig geworden um das einstige Wunderkind

Acht Jahre später ist es vergleichsweise ruhig geworden um den gebürtigen Düsseldorfer, in dem damals viele Beobachter den kommenden Superstar gesehen haben. Verschenkte Siege am Finaltag, niedrige Putt-Quoten und die verlorene Selbstverständlichkeit beim Abschlag machten ihm zu schaffen. Nach einer schwachen Saison 2019 hat er nur noch ein eingeschränktes Startrecht für die sportlich wertvollere PGA Tour, stattdessen versucht er sich über die weniger begehrte European Tour wieder an die Weltspitze heranzupirschen: „Dieses Jahr habe ich einen sehr guten Plan und versuche, mich für alle großen Veranstaltungen wie den Ryder-Cup, die Olympischen Spiele, das Masters und die Open Championship zu qualifizieren“, sagte Kaymer vor dem Start in das Olympiajahr.

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Die jüngsten Ergebnisse lassen zumindest auf eine Trendwende hoffen. Vier Turniere spielte er seit dem Jahreswechsel. Viermal landete er in den Top 20, in der vergangenen Woche gelang ihm bei den Oman Open gar die zweite Top-Ten-Platzierung der noch jungen Saison. Zum Vergleich: 2019 gelangen ihm bei 28 Turnieren nur drei Top-Ten- und fünf Top-20-Platzierungen. Der jüngste Höhepunkt im Wüstenstaat: Ein Hole-in-one am 13. Loch von Runde zwei. „Das war schön“, sagte Kaymer, und sein Lächeln verriet: Da hat einer den Spaß am Sport wiedergefunden.

Woher kommt der neuerliche Aufschwung?

Woher kommt der Aufschwung des 35-Jährigen? Oder ist das alles nur ein kurzes Zwischenhoch auf der verzweifelten Suche nach Konstanz? Im Interview mit dem Internetportal Golfpost.de verriet der zweimalige Major-Sieger, dass er im Winter die Flugbahn seines Drives (Abschlag) verändert und an seiner Putt-Technik gearbeitet habe. „Ich bin die letzten zwei oder drei Jahre nur mit dem Strom geschwommen und habe mein Spiel als selbstverständlich angesehen“, sagte Kaymer. An konkreten Dingen habe er zuvor eigentlich nie gearbeitet. Erst die schwache vergangene Saison brachte ein Umdenken.

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Aber nicht nur an der Technik feilte der Deutsche, auch an seinem direkten Umfeld nahm er Veränderungen vor. So ist er seit Jahresbeginn wieder mit Caddie Craig Connelly unterwegs, mit dem ihm zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts der große Durchbruch gelang und an dessen Seite er unter anderem den Ryder-Cup und die PGA Championships gewonnen hatte. „Wir neigen dazu, uns auf die Dinge zu konzentrieren, die wir nicht besonders gut machen“, sagte Kaymer. „Aber manchmal muss man an das erinnert werden, was man in seiner Karriere bereits getan hat und was für ein guter Spieler man ist.“ Connelly sei ein „sehr positiver Mensch“, und es helfe ihm, in dem Schotten jemanden an der Seite zu haben, mit dem er „die guten und die schlechten Zeiten“ durchlebt habe.

Nächster Halt: Qatar

Die Weltrangliste führt ihn nach dem starken Jahresbeginn auf Position 110, womit er fast 100 Positionen vor Deutschlands Nummer zwei Sebastian Heisele (205) liegt. Als nächstes European-Tour-Event stehen ab Donnerstag die Commercial Bank Qatar Masters in Doha auf dem Programm. „Ich kann nicht wirklich sagen, wo mein Spiel im Moment steht“, so Kaymer, der allerdings betonte: „Die Erwartungen sind ziemlich hoch. Denn wenn man alles richtig macht und in einer Trainingsrunde 63 spielt, muss man das auch in einem Turnier tun.“

Mit der verkorksten 2019er Saison hat er abgeschlossen und die Lehren gezogen: „Ich wollte und musste etwas ändern und ein noch kompletterer Spieler werden, um wieder Turniere zu gewinnen.“ Denn daran lässt Kaymer, der 2014 sein letztes Turnier gewonnen hatte, keinen Zweifel: „Dieses Gefühl vermisse ich wirklich.“

Klingt, als wolle er die Zeit der Ärgernisse wirklich hinter sich lassen.

In unserer Bildergalerie finden Sie die größten Erfolge in der Karriere von Martin Kaymer.