Street View gibt es jetzt auch in Deutschland für Geschäftsräume. In Stuttgart machen bisher nur wenige mit. Doch der Dienst Business Photo ist vor allem ein Beispiel dafür, wie der Internetkonzern sein Quasi-Monopol ausnutzt und gratis an Inhalte kommt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Google baut seine kartenbasierten Dienste weiter aus. Der Internetkonzern schickt seit einigen Wochen Fotografen los, um Geschäfte von innen zu fotografieren. Business Photos nennt sich dieses Angebot, für dessen Inhalte der Internetkonzern keinen Cent bezahlt – vor allem deshalb, weil er als Quasi-Monopolist bei den Suchmaschinen selbst aus Sicht vieler kleiner Firmen zu groß ist, um seine Dienste nicht zu nutzen und dann womöglich schlechter im Netz gefunden zu werden als die Konkurrenz.

 

Mehr als 100 000 Restaurants, Läden und Touristenattraktionen weltweit machen laut Google bereits mit, in Deutschland seien es einige hundert. Bilder von Museen und anderen öffentlichen Einrichtungen erstellt der Konzern auf eigene Kosten.

Street View für drinnen

Die für den neuen Google-Dienst erstellten 3D-Panoramen sind über den Google-Kartendienst Maps beziehungsweise den Dienst Street View zugänglich. Man kann somit nicht nur virtuell durch die Straßen schlendern, sondern gewissermaßen auf einen digitalen Bummel in die teilnehmenden Geschäfte hereinschauen.


Größere Kartenansicht

„Durch Business Photos können Ihre Kunden sich in Ihrem Unternehmen umsehen, es erkunden und wie nie zuvor damit interagieren“, schreibt Google zu den Vorzügen des Dienstes. Außerdem können Firmen die 3D-Ansichten auf der eigenen Website einbinden. In dem automatisch angelegten Profil bei dem als Facebook-Konkurrent konzipierten Netzwerk Google Plus, das mit dem Kartendienst Maps verknüpft ist, tauchen diese ebenfalls auf.

Google zahlt keinen Cent

Google wertet durch die integrierten Angebote also mehrere seiner bereits bestehenden Gratis-Dienste auf. Besonders vorteilhaft: Für die Inhalte muss der Konzern keinen Cent bezahlen; lediglich die Server, auf denen die Bilder gespeichert sind, verursachen Kosten. Google führt den Dienst weltweit nach demselben Muster ein: Der Konzern stellt die technische Infrastruktur; um die Akquise und die Fotos kümmern sich lokale, von Google zertifizierte Fotografen. Diese müssen die teilnehmenden Geschäfte selbst vom Nutzen des Dienstes überzeugen und auch den Preis für ihre Bilder selbst aushandeln.

Google sieht darin eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Fotografen. Nicht nur bei den Kosten, auch rechtlich hält sich das Unternehmen fein raus, indem es sämtliche Verantwortung zu Persönlichkeits- und Urheberrechten auf die teilnehmenden Geschäfte und Fotografen abwälzt.

Wie der Dienst in Stuttgart angenommen wird

Josh von Staudach und Oskar Eyb sind derzeit die einzigen von Google autorisierten Fotografen in der Region Stuttgart; beide haben bereits Bilder in der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht. Staudach, der sich auf Panoramafotografie spezialisiert hat, rechnet in der Region Stuttgart mit einer dreistelligen Zahl von Unternehmen, die in den kommenden Monaten eine Innenansicht ihres Ladens auf Google-Server hochladen wollen.

Staudach und Eyb bieten 3D-Ansichten ab 269 Euro netto an. Lohnt sich die Arbeit bei solchen Preisen überhaupt? Den niedrigen Preis erklärt von Staudach damit, dass Google die Bildbearbeitung und das Erstellen der 3D-Ansichten übernimmt. Eyb sieht den sich bereits jetzt entwickelnden scharfen Preiskampf kritisch: „So kann man nicht dauerhaft die nötige Qualität liefern“, sagt der Fotograf.

Diese Geschäfte machen mit

Noch kann man die Unternehmen in der Region an einer Hand abzählen, die einen virtuellen Rundgang anbieten. Die inzwischen geschlossene Filmgalerie 451 ist darunter, auch den Bäcker Frank in der Wächterstraße kann man sich in 3D ansehen. Zudem sind die Diogenes Taverne, Königskinder Schmuck (beide Olgastraße), der Vaihinger Apple-Händler Seibold und Partner sowie die Bar Finkennest in der Weberstraße virtuell zugänglich. Dabei handelt es sich um Test-Einreichungen von Eyb und von Staudach, anhand derer Google die beiden Fotografen akkreditiert hat.

Der Dienst ist noch nicht sehr bekannt; außerdem könnten ungeklärte Datenschutzfragen eine Rolle Spielen. Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, warnt vor einer Wiedererkennbarkeit der in den Geschäftsräumen fotografierten Personen: „Eine Person lässt sich nicht nur an ihrem Gesicht identifizieren“, sagte Weichert in einem ARD-Interview – und forderte eine „vollständige Verpixelung“ aller fotografierten Personen. Bei der Einführung von Google Street View, dessen technische Grundlage jetzt auch für die Innenansichten genutzt wird, gab es viele Beschwerden von Hausbesitzern, die nicht wollten, dass die Fassade ihrer Immobilie im Netz zu sehen ist.

Wie viel Potenzial hat der Dienst? Google schweigt

Das kann Google nicht schrecken: „Wir erwarten, dass der Geschäftsinhaber und der Fotograf die Kunden über die Fotoaufnahmen zum Schutz ihrer Privatsphäre in Kenntnis setzen“, sagt eine Sprecherin, „professionellen Fotografen ist sehr wohl bewusst, welche Voraussetzungen für die Veröffentlichung von Bildern gegebenenfalls mit der Abbildung von Personen erfüllt sein müssen“. Falls Personen erkennbar seien, könnten sie sich bei Google beschweren. Außerdem setze der Konzern eine moderne Verwischungstechnologie ein. Diese hatte bei Google Street View allerdings nicht perfekt funktioniert.

Noch ist offen, wie gut der neue Dienst des Suchmaschinenriesen in Deutschland angenommen wird. „Ich kann mir vorstellen, dass da einige mit der Schulter zucken“, sagt Josh von Staudach, „vielleicht steigen einige Unternehmen erst ein, wenn es bekannter ist.“ Auf die Frage, mit wie vielen Teilnehmern Google hierzulande rechnet, antwortete das Unternehmen nicht.