Vor 20 Jahren wurde Google gegründet. Über die Zeit ist der Konzern zu einem Eldorado für die besten Entwickler geworden – und zu einer der größten Datenkraken der Welt. Das ist auch die Überlebensstrategie.

Mountain View - Wie war sie wohl, diese Welt vor Google? Der Konzern wird am 7. September 20 Jahre alt – und es fällt schwer sich daran zu erinnern, wie man vor Google etwas im Internet gesucht hat. Dabei gab es damals schon Suchmaschinen – Altavista beispielsweise – mit denen man allerlei lustige Dinge im Netz fand, aber nicht immer die Relevanten. Es gab Expertenzirkel und Anleitungen rund um diese Frage nach der Relevanz. Suchen war damals viel weniger intuitiv.

 

Doch das alles hat sich geändert: Mit einer revolutionären Idee des Informatikstudenten Larry Page, die heute noch unter dem Namen Page-Rank bekannt ist. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Sergey Brin von der Stanford University in Kalifornien entstand 1995 die Idee, eine bessere Suchmaschine zu entwickeln. Page-Rank bewertet die Relevanz eines Suchergebnisses nicht nach dem Inhalt, sondern danach, wie häufig und von welchen anderen Internetseiten auf diese Seite verwiesen wird. Nach dem Motto: Das, worüber viele reden, wird wichtig sein.

Nur eine Suchmaschine war das Unternehmen allerdings lediglich im Kleinkindalter. Vier Jahre nach der Gründung von „Google Inc“ in einer kalifornischen Garage fragten sich die Gründer, wie sie mit ihrer Marktführerschaft Geld verdienen könnten. So wurde „GoogleAdWords“ geboren, ein Werbesystem, das sich vor allem an den Suchergebnissen der Google-Nutzer orientiert . Bis heute macht Google seinen Hauptumsatz mit Online-Werbung. Die Suchmaschine und die anderen Web-Dienste wie das Mailprogramm Googlemail und der Kartendienst Googlemaps liefern die dafür nötige Grundlage: Daten und Nutzer. Und da fangen die Probleme an.

Google bestimmt unseren Blick auf die Welt mit

Immer wieder warnen Experten vor der Macht des Konzerns, die über die Jahre stets gewachsen ist. Aus zweierlei Gründen: wegen der gesammelten Daten und der damit verbundenen Bedrohung der Privatsphäre einerseits und wegen der Macht des Konzerns über die Internetsuche andererseits. Google bestimmt unseren Blick auf die Welt mit – nicht aktiv, sondern darüber, wie prominent Suchtreffer gelistet werden. Was bei Google weit unten auftaucht, könnte ebenso gut nicht da sein. Es verschwindet in den Tiefen des Netzes, auch wenn Donald Trumps jüngster Vorwurf, Google manipuliere bewusst Suchergebnisse über ihn, sicher jeder Grundlage entbehrt,

Doch auch die schärfsten Kritiker mussten eingestehen, dass eine Internetsuche ohne eine algorithmische Sortierung nach mutmaßlich relevanten Quellen zum Misserfolg verdammt ist. Die Mengen an Information, die das Netz birgt, brauchen eine Sortierhilfe. Und diese führt wiederum automatisch dazu, dass vermeintlich Wichtiges immer wichtiger und Unwichtiges immer unwichtiger wird, solange uns nichts Besseres einfällt. Seit Larry Page gab es keine revolutionären Ideen in Bezug auf die Internetsuche mehr.

Wer Googles Forscher oder Entwickler trifft, könnte in Versuchung kommen zu sagen: Erwachsen ist der Konzern nicht, obwohl er nun schon 20 ist. Doch das ist in diesem Falle durchaus positiv gemeint. Google hat aufgrund bester Arbeitsbedingungen die besten Köpfe angeworben. Und wer heutzutage als Forscher wirklich etwas bewegen will, braucht einen gewissen Spieltrieb. Der wird angesichts all der zur Verfügung stehenden Daten geweckt: Ein Eldorado für Googles Datenforscher, die munter ausprobieren, was damit alles geht.

Immer wieder stehen Funktionen in der Kritik

Bisweilen führt dieses Ausprobieren aller Möglichkeiten aber zu Pannen wie jener, als eine Software mit allzu großer Freiheit Bilder selbst mit Anmerkungen versehen sollte – und dunkelhäutige Menschen als „Gorillas“ bezeichnete. Auch die Auto-Vervollständigung stand in der Kritik: Es ergänzte beispielsweise den Namen „Bettina Wulff“ bei der Googlesuche ungefragt um „Prostituierte“ – weil offenbar viele Nutzer danach gesucht hatten. Wulff ging juristisch gegen den Konzern vor und Google löschte die Ergänzung.

Wer hingegen die Marketingaktivitäten des Unternehmens beobachtet, dem kommt Google wiederum sehr erwachsen vor. Der Konzern ist aus der Pubertät heraus, er hat die Schminke entdeckt und die teuren Hemden, die man anziehen kann, um Eindruck zu schinden. Eines dieser Hemden ist die Googlesuche, die sich immer bunt und fröhlich präsentiert. Ein anderes ist Googlemail, eine derart bequeme Lösung, die dem Nutzer das Sortieren der E-Mails abnimmt und auch nicht ständig meckert, dass das Postfach voll sei. Und ein drittes Hemd ist Googlemaps. Die App, die einen durch die Straßen führen kann wie eine treu sorgende Mutter, die „spürt“, wann man Hunger hat, die sich merkt, wo man sein Auto geparkt hat, und die selbstständig ein digitales Tagebuch für den Nutzer führt: Wann ist er an welchem Ort gewesen? Ist er dorthin gefahren, gelaufen, geradelt oder gejoggt? Wie lang ist er dort geblieben? Wie lange bleiben andere Menschen dort? Was hat er dort mutmaßlich getan?

Mit dem Sammeln von Daten sichert sich der Konzern seine Zukunft

Mit den Daten, die Google hat, lässt sich die Welt erklären. Das ist der Anwendungsfall der Zukunft, mit dieser Goldgrube sichert Google sein Überleben. Das sogenannte „Ubiquitous Computing“, die allgegenwärtige Anwesenheit von Computern, ganz ohne dass jeder Mensch auf Screen oder Handy schauen muss, braucht Daten und Algorithmen, die die Menschen erklären und sie vorhersagbar machen. Dieses Szenario der Mensch-Maschine-Interaktion für die Zukunft geht davon aus, dass Computer ganz unaufdringlich unser Leben erleichtern, indem sie uns überall Informationen zukommen lassen. Zum Beispiel als Einblendung in die Realität, als sogenannte Augmented Reality. „Ubiquitous computing“ ist wie ein allumfassendes Googlemaps – nur ohne Handy. Ein persönlicher Assistent, integriert in unsere Umwelt. Dafür braucht es genau das Wissen über die Welt, die Daten, die Google seit vielen Jahren von seinen Nutzern sammelt.

So gesehen ist Google inzwischen äußerst rational. Es arbeitet für die Zukunft voraus, die Daten sind die Altersabsicherung. Ob diese tatsächlich funktioniert, hängt auch von den Entscheidungen der Nutzer und den Prioritäten der Öffentlichkeit ab. Die Allgegenwart von digitalen Informationen funktioniert auch ohne Googles Daten – und mit mehr Schutz für die Privatsphäre. Es wäre nur aufwendiger. Zumindest in Deutschland wachsen Mail-Anbieter und Suchmaschinen, die möglichst wenig persönliche Daten sammeln. Wenn das öffentliche Bedürfnis nach Privatsphäre die Bequemlichkeit schlägt, sieht es düster aus für die Zukunft von Google.