Der finnische Ableger von Microsoft benutzt künftig auch das Betriebssystem von Google, das mittlerweile einen Marktanteil von 65 Prozent erreicht. Mit einem Preis um die hundert Euro sollen die neuen Smartphones Einsteiger locken.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Barcelona - Stephen Elop, der für die Produktentwicklung zuständige Nokia-Vizechef, hat auf dem Mobile World Congress in Barcelona versucht, die Kapitulationserklärung positiv zu verpacken. „Wir haben eine erstaunliche neue Produktfamilie, die unser Portfolio für bezahlbare Smartphones stärkt“, sagte er bei der Präsentation der drei Geräte aus der neuen, so genannten X-Familie des finnischen Herstellers. Das entscheidende Stichwort lies der Nokia-Manager eher beiläufig fallen: Die Firma, deren Handysparte Microsoft übernommen hat, offeriert nun auch Geräte mit dem Android-Betriebssystem von Google. Mit einem Preis um die hundert Euro sollen sie Einsteiger locken.

 

„Es sieht so aus, als hätten Sie sich zum zweiten Mal die Finger verbrannt“, sagte ein finnischer Journalist im Anschluss an die Präsentation. Nachdem Nokia jahrelang vergeblich versucht hatte, sein eigenes System namens Symbian auf dem Markt zu platzieren, gibt der Hersteller nun auch die Strategie auf, sich allein auf das mit Microsoft entwickelte System Windows Phone zu stützen. „Wir bieten nun auf einmal Zugang zu 100 000 Anwendungen und profitieren von einem vorhandenen Ökosystem“ , sagte Elop – und verwies damit auf einen weiteren entscheidenden Punkt. Für viele App-Entwickler hat das Nischensystem Windows Phone bisher eine viel zu geringe Reichweite, um dafür Programme zu entwerfen. Auch wenn Elop in Barcelona unermüdlich die „Nokia-Erfahrung“ betonte und auf das Dienste-Angebot von Microsoft verwies, führt an Android kein Weg vorbei.

Windows Phone wächst zwar schnell, aber auf niedrigem Niveau

Der Schwenk zum Konkurrenzsystem soll dazu dienen, die Kunden an Nokia zu binden, um sie irgendwann vom eigenen Betriebssystem zu überzeugen. Wer bei Google Play einkaufen will, muss sich jedenfalls erst ein Programm herunterladen. „Windows Phone ist das Betriebssystem mit den höchstens Wachstumsraten“, sagte Elop. Angesichts des kleinen Marktanteils ist das kein Kunststück.

Software schlägt Hardware. Wenn es noch einen Beweis für diese Erkenntnis des IT-Zeitalters braucht, dann liefern ihn die gegensätzlichen Strategien von Google und Microsoft im Bereich der Handys und Smartphones. Google hat gerade seine Beteiligung am Gerätehersteller Motorola abgegeben – im sicheren Bewusstsein, dass man das für die mobilen Google-Angebote so wichtige Betriebssystem Android unverrückbar etabliert hat – mit Hilfe anderer Hersteller, die von Anfang an auf das System zurückgreifen durften. Microsoft hingegen, das mit der Übernahme von Nokia gerade in mobile Hardware investiert, muss feststellen, dass das nicht aus Googles Orbit herausführt. Das ist das Eingeständnis einer strategischen Fehleinschätzung. Nokia hat die Entwicklung der Android-Smartphones noch vor der Übernahme von Microsoft begonnen. Doch der neue Eigner hat sie nicht gestoppt. Im wachsenden Segment der günstigen Smartphones, die in ärmeren Regionen der Welt einen Siegeszug feiern, führt an Googles System kein Weg vorbei. Windows Phone ist für preiswerte Mobilgeräte zu teuer.

Der weltweite Siegeszug von Android scheint unaufhaltsam. Eine zum Mobile World Congress veröffentlichte Studie der Marktforschungsfirma GWI, die 170 000 Nutzer in 32 Ländern befragt hat, spricht global von einem Marktanteil von 65 Prozent. Allein im vergangenen Jahr ist er um deutlich mehr als ein Drittel gewachsen. Seit Ende 2011 hat er sich sogar fast verdreifacht. Gerade in jungen, sich noch entwickelnden Märkten hat Android eine starke Stellung. So nutzen etwa in China und Malaysia mehr als drei Viertel der Smartphone-Besitzer Android. Der einzige Konkurrent, der standhält, ist Apple mit einem stabilen Marktanteil von 20 Prozent. Allein die Tatsache, den einstigen Marktführer Apple auf Abstand zu halten, ist schon ein Erfolg. Doch Google hat bisher auch verhindert, dass sich neben Apples iOS und Android eine Alternative etablierte.

Android ist vom offenen Betriebssystem Linux abgeleitet

Die Dominanz von Android entbehrt nicht der Ironie: Es ist abgeleitet von dem einst als Waffe gegen Microsofts PC-Monopol entworfenen offenen Betriebssystem Linux. Nun ist es das entscheidende Werkzeug, um Googles Vorherrschaft auch in der mobilen Welt zu sichern. Zwar hat der Suchmaschinenhersteller weniger als erwartet mit Android-Lizenzen verdient und hat zusehen müssen, dass Konkurrenten wie Amazon das Betriebssystem zwar aufgriffen, aber die eigenen Geräte gegen Produkte aus der Google-Plattform abschotteten, aber sein Hauptziel hat Google erreicht: Die eigene Suchmaschine, mit der man die meisten Gewinne macht, ist mobil so etabliert wie auf dem PC. Die App-Plattform Google Play ist ungefährdet.

Selbst der Verkauf von Motorola erscheint da als genialer Schachzug: Im Android-Universum droht der koreanische Hersteller Samsung, der zudem an seinem eigenen Betriebssystem Tizen arbeitet, zu stark zu werden. Der neue chinesische Motorola-Eigentümer Lenovo kann nun die Koreaner unter Druck setzen. Microsoft laboriert hingegen weiter am Sprung in die mobile Welt. Dort hofft man, dereinst das PC-System-Windows nahtlos mit Mobilgeräten zu verbinden. Doch auf die Frage, wann etwa die Office-Programme wie Word oder Excel auf Mobilgeräten verfügbar sein werden, antwortete der Nokia-Manager Elop in Barcelona nur ausweichend.