Google bekommt ein neues Konzerndach mit dem Namen Alphabet und trennt dadurch das hochprofitabele Internetgeschäft von riskanten Forschungsprojekten. Der Umbau macht Google stabiler. Aber auch ein Teil der Einzigartigkeit geht verloren, meint StZ-Wirtschaftsredakteurin Nora Stöhr.

Stuttgart - Als Larry Page und Sergey Brin das Unternehmen Google vor 17 Jahren gründeten, konzentrierten sich die beiden Internetvisionäre ausschließlich auf ein Thema: die Optimierung der Suche im Netz. Und sie hatten Erfolg: Google wurde binnen kürzester Zeit der globale Spitzenreiter in puncto Onlinesuche und ist es heute noch. Doch Google ist mittlerweile weitaus mehr als nur die Suchmaschine, mit der einst alles begann. Google, das ist auch Google X, ein Labor, das selbstfahrende Autos oder Ballons zur Internetversorgung von entlegenen Gebieten entwickelt. Außerdem gehört die Medizinfirma Calico dazu, die beispielsweise an einer Kontaktlinse arbeitet, die bei Diabetikern den Blutzucker messen soll. Und da ist Google Ventures, eine Risikokapitalfirma, die in Start-ups investiert, und natürlich auch die Videoplattform Youtube. Das Unternehmen hat sich gewandelt und dokumentiert diesen Wandel nun: Aus Google wird Alphabet.

 

Google ist mittlerweile ein riesiger, weltweit agierender Konzern und zugleich ein Gemischtwarenladen, bei dem es für Page und Brin inzwischen ziemlich schwierig sein dürfte, die Kontrolle zu behalten – zumal die einzelnen Unternehmensteile alle nur wenig miteinander zu tun haben. Googles radikaler Umbau, die Gründung der Holding Alphabet, unter deren Dach die einzelnen Bereiche nun aufgeteilt werden, ist also ein logischer und richtiger Schritt. Er bietet die Chance, Ordnung in das Firmengeflecht zu bringen.

Getrennte Sparten bedeuten mehr Transparenz

Nur so kann Google das angestammte Webgeschäft schützen, das derzeit den Großteil des Umsatzes macht. Und das ist auch dringend notwendig: Zum einen sind da die hohen Kosten, die die verschiedenen Forschungsprojekte mit unkalkulierbarem Risiko verschlingen. Zum anderen gerät auch das hochprofitable Internetgeschäft zunehmend unter Druck, denn mit dem Smartphone-Boom wird auch die mobile Werbung immer wichtiger – und gerade hier wächst die Konkurrenz von Anbietern wie Facebook und Co. Unter dem Konzerndach Alphabet kann sich Google nun also auf seine alten Stärken konzentrieren.

Getrennte Sparten bedeuten auch, dass von nun an mehr Transparenz herrschen sollte – nicht nur Google-intern, sondern auch für die Öffentlichkeit, die Anleger, die Investoren. Dies könnte in Zukunft Partnerschaften, aber auch Fusionen mit anderen Konzernen erleichtern. Nun wird es für Google bedeutend einfacher sein herauszufinden, wer die Brötchen verdient, was langfristig vielversprechend ist – und was womöglich abgestoßen werden muss.

Verrückte Ideen werden es künftig schwerer haben

Getrennte Sparten bedeuten auch eine getrennte Finanzierung. Über kurz oder lang müssen sich alle Konzernteile selbst tragen. In gewisser Weise danken die Technikfreaks ab und nüchterne, staubtrockene Zahlenjongleure übernehmen die Macht, denn alle Geschäfte unter dem Namen Google zu führen bedeutete auch ein Stück Freiheit: An Projekten, die sich nicht rentierten – wie bisher die Datenbrille Google Glass –, konnte mit Hilfe interner Subventionen trotzdem weitergearbeitet werden.

Verrückte Ideen werden es künftig schwerer haben, wenngleich der Konzern insgesamt durch den Umbau professioneller und stabiler wird. Die Kalifornier waren bisher bekannt dafür, im ganz großen Maßstab zu denken; es ging Page und Brin nicht darum, in einem Geschäft den Umsatz um, sagen wir, zehn Prozent zu steigern, sondern zu verzehnfachen – die berühmten „Moonshots“. Google hat sich stets damit gerühmt, alles auf das Kundeninteresse zu konzentrieren, die Angebote zu entwickeln, von denen die Kunden noch gar nicht wussten, dass sie sie womöglich haben wollen. Mit der jetzt getroffenen Entscheidung wird Google erwachsener. Aber der Konzern verliert auch viel von seiner Einzigartigkeit. Die Kunst wird darin bestehen, die Innovationskraft und den Gründergeist in die Zukunft zu retten.