Gordon Raphael hat das legendäre erste The-Strokes-Album aufgenommen. Kommende Woche ist er im Merlin zu Gast – und holt drei prominente Mitglieder der Stuttgarter Szene auf die Bühne. Wie kommt’s?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Als The Strokes 2001 wie aus dem Nichts ins weltweite Musikbusiness platzten, war die Rockgeschichte um ein weiteres Kapitel reicher. Nach der Meinung einiger Popkritiker schlug die New Yorker Gitarrenband sogar die letzte Seite des über viele Jahrzehnte geschriebenen Rock’n’Roll-Geschichtsbuchs auf. Jedenfalls war sie die erste von vielen nachfolgenden „The-Bands“ und setzte mit „Is This It“ auch eine retroeske Soundreferenz, an der sich die nachfolgenden Gruppen jahrelang abarbeiteten.

 

Gordon Raphael hat damals als Produzent den Strokes-Sound mitdefiniert. Der Wahlberliner aus Seattle ist aber nicht nur hinter dem Mischpult eine Größe, sondern steht seit seiner frühen Jugend als Musiker auf der Bühne. Kommenden Donnerstag gastiert er im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin. Dort spielt er sein noch nicht einmal erschienenes Album vor – und zwar gemeinsam mit Daniel Benjamin und Eleni Zafiriadou (alias Sea + Air) sowie Kevin Kuhn, der unter anderem bei Die Nerven Schlagzeug spielt.

Wie es dazu kam, erzählt uns Gordon Raphael im Interview.

Gordon, du hast dein Album in Argentinien aufgenommen, mit einer argentinischen Band – jetzt stellst du es in Stuttgart mit drei hiesigen Szenegrößen vor. Das musst du erklären.
2014 war ich etwa 100 Tage lang in Argentinien. Dort ist die Gitarrenmusik noch in full swing. Dort habe ich die Bands kennengelernt, mit denen ich jetzt mein Soloalbum eingespielt habe. Das war längst überfällig, die Songs repräsentieren alle Phasen und Orte meiner Karriere. Die Verbindung zu Sea + Air wiederum kam während meiner ersten Tage in Berlin zustande, Anfang der Nullerjahre war das. Daniel und Eleni waren damals im selben Studio wie ich und nahmen mit ihrer Band Jumbo Jet auf.
Inzwischen lebe ich ja in Berlin. Als die beiden mich vor einem Jahr dort in meinem Studio besuchten, war ich gerade dabei, mich durch 200 Songs zu hören, die für mein Album infrage kamen. Daniel hat gesagt, er wolle sie alle hören. Ich wollte ihm das erst ausreden, habe ihm aber die Songs geschickt. Vor drei Monaten hat er dann angerufen und gesagt: Wir haben unsere zehn Favoriten ausgewählt, wir sind deine Band.
Von ihrer Zeit in Berlin haben die beiden uns kürzlich auch schon ausführlich erzählt. Und Jumbo Jet gehen im Herbst ja wieder auf Tournee. Aber wie kam die Verbindung zu Kevin Kuhn zustande?
Von Sea + Air war ich schon immer begeistert. Das sind zwei Musiker, die sechs Instrumente auf einmal spielen! Kevin war bei den Proben einfach dabei und ich habe mich komplett in ihn verliebt. Er bringt etwas ganz Besonderes mit, und ich lasse ihn Sachen spielen, die schwieriger als seine sonstigen Beats sind. Das Tollste aber ist, dass im Grunde alle Bandmitglieder gleichzeitig auch Comedians sind. Und das meine ich ganz im positiven Sinne.
Und du bist für immer und ewig der Produzent der Strokes?
Ich wollte dieses Attribut noch nie loswerden. Aber ich bin auch ein Synthesizer- und Pianomensch. Und ein primitiver Gitarrenspieler. Will heißen: Wenn ich Gitarre spiele, kann ich sie nicht wirklich kontrollieren. Ich spiele eben, was ich spiele.
Gitarrenmusik ist angeblich tot. Was muss man tun, um ein gutes Stück Gitarrenmusik zu schreiben und aufzunehmen?
Westliche Musik mit einem Vorrat von sieben Tönen ist uralt, da wurde fast alles schon einmal gemacht. Der einzige Weg ist, mit einem guten Song anzufangen, der einen guten Blick auf die Welt einnimmt. Das geht über die Komponenten der Musik hinaus, wichtig ist der Spirit dahinter.
Werdet ihr im Merlin dein komplettes Album spielen?
Die Band hat sich aus den 200 Songs einige ausgesucht, die auch auf dem Album sind – und ein paar, die mir zu schwierig waren. Bei den Proben klang das genauso gut, wenn nicht besser als mit der argentinischen Band. Einige der Songs sind sehr lang, das Konzert wird irgendwas zwischen 40 und 60 Minuten dauern.
Wirst du dein Album auch dabei haben?
Nein, das kommt ja erst im September heraus. Die erste Single kann man schon anhören, auf der Website des Independent feiert jetzt das Video Premiere. Im dazugehörigen Interview habe ich übrigens Die Nerven als one of the hottest bands out of Germany gepriesen. Die machen richtig tolle Sachen.
Die Nerven als die Stuttgarter Strokes! Und was hast du mit deinen drei Stuttgarter Bandkollegen außer dem Merlin-Konzert vor?
Es gibt noch eine Show in Köln. Außerdem werden wir die Songs am Tag nach dem Konzert aufnehmen und das auch filmen – mit Rauchmaschinen und allem. Das werden fantastische Tage.

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