Vom „Fluch der Karibik“ zum Psychohorror auf die Schwäbische Alb: Hollywoods Starregisseur Gore Verbinski lässt seinen neuen Film „A Cure of Wellness“ auf dem Stammsitz des Herrscherhauses Preußen spielen. Allerdings liegt es hier in den Alpen.

Bisingen - Die Burg Hohenzollern liegt in tiefem Nebel, an einem Montagvormittag im Winter 2017. Ein Shuttlebus mit Besuchern windet sich langsam die gewundene Auffahrt zum Stammsitz des preußischen Königshauses in Baden-Württemberg hinauf. Die Fahrt geht über Serpentinen, durch dichte Wälder. Erst als die weitläufigen Befestigungsanlagen erreicht sind, beginnen die Türme und Mauern, sich aus den dichten weißen Schleiern zu schälen.

 

Hohenzollern steht isoliert in 855 Metern Höhe auf dem Gipfel des gleichnamigen Berges hinter Bisingen im Regierungsbezirk Tübingen. Eine bessere Kulisse für einen Horrorfilm der alten Schule kann man sich kaum denken. Drehort für ein Gruselstück war die Burg dennoch nie – bis, im Sommer 2015, der US-amerikanische Star-Regisseur Gore Verbinski samt seiner Crew anreiste, um dort seinen Film „A Cure for Wellness“ zu drehen, der nun in die deutschen Kinos kommt. Ein Film, der sich zuletzt zwar ausnimmt, als habe man einem italienischen Schockregisseur der 1970er Jahre ein viel zu großes Budget anvertraut, in dem logische Fehler die Handlung durchlöchern und Anspielungen auf Thomas Manns Zauberberg ein eher unfreiwilliges Grauen verbreiten. Aber ein Film, der Atmosphäre und visuellen Glanz besitzt, der mit vielen schaurig-schönen Bildern aufwartet.

„A Cure for Wellness“ verdankt einen beachtlichen Teil seiner Wirkung der Burg Hohenzollern. Nur etwa 15 von 147 Filmminuten entstanden tatsächlich auf ihr, aber diese Minuten prägen den Film, geben seiner Handlung einen Ort, ein Gesicht. Im Film allerdings steht Hohenzollern in anderer, ebenfalls sehr eindrucksvoller Umgebung: Gore Verbinski verpflanzte die Burg vom schwäbischen Albtrauf ins Schweizer Hochgebirge. Rings um ihre Mauern und das sinistre Sanatorium, das sie einschließen, ragen klar und kühl die Alpen auf. Ungewöhnlich ist so etwas nicht, zumal im Zeitalter digitaler Bildbearbeitung – der Film, die große Illusionsmaschine, setzt seine Szenen seit jeher aus den Fragmenten der Wirklichkeit zusammen.

Die Innenaufnahmen des Films wurden allerdings bei Berlin gedreht

„A Cure for Wellness“ erzählt die Geschichte des jungen Angestellten Lockhart (Dane DeHaan), der, von seinen Vorgesetzten unter Druck gesetzt, in die Schweiz reist, um den CEO eines großen amerikanischen Finanzunternehmens zu suchen. Derer hält sich in jenem Sanatorium auf und weigert sich, es zu verlassen. Bald wird auch Lockhart zum Patienten werden und die Wirkung des bewährten Heilwassers gut kennen lernen.

Die Innenaufnahmen des Sanatoriums entstanden in Schraplau im Saalekreis und in den verlassenen Beelitz-Heilstätten bei Berlin, dort, wo der letzte DDR-Staatschef Erich Honecker einst nach seinem Sturz vom Krebs gesunden wollte. Das Merkel’sche Jugendstilbad in Esslingen wurde für die Dreharbeiten zu den Szenen, die in Bädern spielen, diskutiert, erhielt jedoch keinen Zuschlag – Orte mit einem kompatiblen Look zu finden, das, erklärt Markus Bensch von den Filmstudios Babelsberg, war eine schwierige Aufgabe; Gore Verbinski legte Wert auf detaillierte Stimmigkeit. Gedreht wurden die Bäder-Szenen schließlich in Sachsen. Ausschlaggebend waren Kacheln der Firma Villeroy und Boch, ein Element, das die sächsischen Bäder mit Hohenzollern verbindet.

Die Burg jedoch ist der heimliche Star des Blockbusters, der mit einer bescheidenen Summe zwischen 50 und 100 Millionen Dollar realisiert und von der MFG Filmförderung Baden Württemberg mitfinanziert ist. Hohenzollern stach im direkten Wettbewerb sehr schnell alle anderen Bewerber aus - auch Neuschwanstein, das für Gore Verbinskis Vorhaben bei seinen Besichtigungen viel zu sehr vom Tourismus geprägt war. „Der Regisseur“, sagt Markus Bensch, „hatte genaue Vorstellungen von der Geografie, in der sein Drehort liegen sollte. Es musste ein Solitär auf einem Berg sein, groß genug, um ein Fünf-Sterne-Sanatorium aufzunehmen. Und am Fuß der Burg sollte sich eine kleine Ortschaft befinden.“ Auch Schloss Sigmaringen und einige Burgen im Rheinland schieden aus, weil sie Verbinskis Vorstellungen nicht entsprachen.

Hollywood zuliebe blieb die Burg im Sommer geschlossen

Auf Hohenzollern indes war man, nachdem alle Berührungsängste mit dem Horror-Genre sich zerstreut hatten, sogar bereit, auf den Publikumsverkehr in der Hochsaison zu verzichten, zum ersten Mal seit 1867 - „Wir konnten uns nie vorstellen, in den Sommerferien zu schließen“, sagt Anja Hoppe, die Leiterin des Burgbetriebs. Georg Friedrich, Prinz von Preußen, und Karl Friedrich, Fürst von Hohenzollern, die beiden Burgherren, gaben ihre Zustimmung, und die touristische Attraktion, die jährlich mehr als 300 000 Besucher anzieht, schloss ihre Tore, verwandelte sich für die Drehzeit in ein streng abgeschottetes Mysterium, zu dem Neugierige aus dem ganzen Land pilgerten, um wenigstens als Komparsen beim Dreh dabei zu sein.

Zehn Tage dauerten die Arbeiten zu „A Cure for Wellness“ im Sommer 2015, zwei Monate die Vorbereitungen. Hohenzollern wurde für diese Zeit zum Lebens- und Arbeitsort von gut 500 Mitarbeitern der Filmcrew. Der Parkplatz, von dem aus die Shuttlebusse starten, verwandelte sich in einen Trailerpark; das Fridericus Zimmer im Herzen der Burg wurde zum Hauptquartier der Dreharbeiten. Und das Burgpersonal durfte die erfreuliche Erfahrung machen, dass amerikanische Filmleute weitestgehend selbstversorgend sind: Das Restaurant blieb geschlossen.

Gore Verbinski war, gemeinsam mit seiner künstlerischen Leiterin Eve Stewart, schon geraume Zeit zuvor angereist, um den Drehort in Augenschein zu nehmen. „Er kam direkt aus Los Angeles“, erzählt Anja Hoppe. „Ganz klassisch Hollywood, mit Sonnenbrille.“ Der Regisseur wünschte, allein gelassen zu werden, erwanderte sich so Hohenzollern. Sein visuelles Gedächtnis hinterließ beim Burgpersonal sehr großen Eindruck – zielbewusst wählte der Regisseur seine Motive aus, erkundete entlegene Winkel und ihre Lichtverhältnisse. Stören durfte man ihn dabei nicht.

Schauspieler Jason Isaacs ist ganz natürlich geblieben

Und auch die Schauspieler aus Hollywood blieben für das Personal nur flüchtige Erscheinungen, schwer auszumachen unter all den Doubles, Komparsen, Helfern auf dem Set. Dass die Gestalten der großen Leinwand nichts als menschlich sind, das allerdings blieb nicht verborgen – an „kleine, harmlose Personen“ erinnert Anja Hoppe sich. Roland Beck indes, auf Hohenzollern zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, hatte eine Begegnung: „Jason Isaacs“, erzählt er, „setzte sich einmal in einer Drehpause neben mich. Wir haben etwa 15 Minuten lang geplaudert.“ Stark in Erinnerung geblieben ist Beck die tiefe, sonore Stimme des Filmbösewichts.

Roland Beck war auch dabei, als die Filmcrew den Autounfall inszenierte, den Lockhart auf den Serpentinen vor dem Schloss erleidet. Burgpersonal und Filmcrew hockten zuhauf in der Böschung über dem Drehort; zwei unbesetzte Fahrzeuge standen für die Szene zur Verfügung. „Der Stuntman“, erzählt Beck, „schoss den Wagen mit einer Nintendokonsole in den Wald hinein. Ein wenig gruselig ist das schon, wenn man sieht, wie ein 800er Mercedes durch die Luft fliegt!“

Burg Hohenzollern wirbt jetzt mit Spezialführungen

Im Wald vor Hohenzollern musste ein Baum bei dieser Szene ein großes Stück seiner Rinde lassen. Das ist eine der Erinnerungen, die der Burg Hohenzollern an ihre Hollywood-Tage geblieben sind. Auch die nicht wirklich massiven Steinpfeiler, mit denen Gore Verbinski die Stahlträger an den Burgmauern kaschieren ließ, sind noch am Ort. Tatsächlich handelt es sich um Konstruktionen aus Holz und Jute, auf die sorgfältig Abdrücke von Mauerwerk aufgebracht wurden. Den funkelnden See im Burghof, an dem Lockhart der mysteriösen Hannah, gespielt von Mia Goth, begegnet, den allerdings gab es nie; er ist nur ein Bild aus der Postproduktion.

Mit noch größeren Besucherzahlen rechnet die Burg nun trotz allen digitalen Zaubers. Führungen, die Hohenzollern als Kulisse für „A Cure for Wellness“ vorstellen, finden statt. „Die Nachfrage“, sagt Anja Hoppe, „ist sehr groß. Wir haben unsere Burgführer schon geschult.“