Wenn sie ihre Mundharmonika an die Lippen setzen, kommt Stimmung auf. Vier herbe, aber freundliche Männer treffen sich regelmäßig in Heumaden, um als „Goschenhobler“ gemeinsam Musik zu machen. Ein Porträt in Text, Bild und Ton.

Heumaden - Leise Akkorde klingen am Dienstagabend durch die Fenster des evangelischen Gemeindezentrums in Heumaden. Drinnen stehen vier Herren in weißen Hemden, auf die das Wort „Goschenhobler“ gestickt ist. „Fertig? Drei, vier“, ruft Heinz Kling seinen Kameraden zu, und schon hallt ein Boogie durch den Raum.

 

Die vier Rentner treffen sich alle 14 Tage, um gemeinsam auf ihren Mundharmonikas zu musizieren. Sie nennen sich die Goschenhobler. „Des isch Schwäbisch“, erklärt Dieter Ade, „Gosch wie d’r Mund und Hobel wie d’r Hobel“. Ihr Mundhobel – also ihre Mundharmonika – ist ihr einziges Instrument.

Die Füße tappen im Takt auf den Boden

Neben Kling und Ade ergänzen Reinhard Buyer und Erich Kaufmann das Quartett. „Ha, eigentlich sind wir eine Rentnerband“, sagt Buyer und lacht. Trotz seiner 67 Jahre ist er der Jüngste im Bunde. „Aber die Musik, die hält uns alle jung“, ruft Kaufmann noch, schon wird das nächste Stück eingezählt. Beim Spielen tappen die Füße zum Takt auf den Boden und schaukeln die Oberkörper vor und zurück. Die Männer haben sichtlich Spaß.

Durch den leer geräumten Saal im kalten Licht schallt während der Probe viel herzhaftes Gelächter, denn Witze machen die Vier häufig, am liebsten über sich selbst. Die Frage, was den Zuhörer bei den Auftritten der Goschenhobler erwarte, beantwortet Ade trocken mit „viel Elend“. Doch ihre Passion für die Musik nehmen sie ernst, jeder musiziert aus einem anderen Grund. Die Worte Freude, innere Ruhe, Kreativität fallen. Ade fasst zusammen: „Wenn ich Ärger im Geschäft hatte, hab ich zehn Minuten gespielt, dann war’s wieder okay.“

Große Resonanz bei Senioren

Vielfalt bestimmt das Repertoire der Goschenhobler. Neben Tangos, Boogies oder Walzern stimmen sie ältere Lieder an wie zum Beispiel „La Paloma“. Das sei der Grund, warum die selbst ernannte Rentnerband gerne vor Senioren spielt. „Da ist die Resonanz am größten“, sagt Buyer. Die Band tritt überdies bei Gottesdiensten auf oder auf Wunsch auch bei anderen Veranstaltungen, einmal sogar bei einer Beerdigung. Ungefähr einmal im Monat können sich Zuhörer an Mundharmonikaklängen der Goschenhobler erfreuen.

Kaufmann brummt vor sich hin, dass er früher auch allein musiziert habe, aber erst in der Gruppe mache es richtig Spaß. „Wir passen halt auch menschlich zusammen, das ist eine musikalische Freundschaft zwischen uns“, sagt Ade. „Ha ja, ja“, stimmen die anderen nachdrücklich ein. Dieser emotionale Moment wird schnell überspielt. In die Stille des Raums ruft Kling, dass sich alle das Mundharmonika spielen selbst beigebracht haben.

Das Olgäle, das Stuttgarter Olgahospital für Kinder und Jugendliche, ist der Geburtsort der Goschenhobler. Kling arbeitete an der Pforte, Buyer als Seelsorger. Am Olgäle kenne man sich, so Buyer, und eines Tages habe Kling ihn angesprochen: „Wenn du Gitarre spielst, dann kannst du auch eine Mundharmonika mit Akkorden spielen. Das probieren wir!“ So kam es zur ersten Probe, Heinz Kling brachte noch Kaufmann und Ade mit.

Herzergreifendes Erlebnis im Krankenhaus

Nach ein paar musikalischen Gehversuchen begann eine Zeit, in deren Erinnerung die Musiker gerne schwelgen. Sie spielten abends auf den Stationen oder bei Gottesdiensten, bei den Kranken, bei den Kindern. „Die Stationen veränderten sich, die Türen gingen auf, die Kinder haben getanzt“, sagt Buyer mit einem Lächeln. Die Männer erinnern sich besonders an einen Besuch auf der Intensivstation. Dort spielten die Goschenhobler vor einem Kind, das seine Umwelt kaum mehr wahrnahm. „Siehe da, das Kind hat reagiert, laut den Ärzten sogar besser als auf jede Medizin“, erzählt Buyer. Das habe man sogar am Monitor gesehen, ergänzt Kling. „Musik ist einfach ein Kommunikationsmittel, das keine Sprache braucht“, schließt Buyer die Geschichte ab. Alle sitzen lächelnd um den einzigen Tisch im Saal, auf dem die geöffneten Köfferchen mit den Mundharmonikas liegen.

Doch die Zeit im Olgäle endete, Kling und später auch Buyer erreichten das Rentenalter. Stattdessen treffen sie sich nun in Heumaden. Und auch hier haben sie ihre Fans, kurz schaut die Pfarrerin Jutta Seifert bei der Probe vorbei. Sie habe nebenan eine Sitzung, die könne die Musik nur verschönern, sagt sie mit einem Augenzwinkern zu den Goschenhoblern. Ohne Noten und im Stehen geben die Vier daraufhin einige Stücke zum Besten. Zwei Melodiemundharmonikas, eine Bass- und eine Akkordmundharmonika füllen den Raum mit Tönen, die sich wild zusammenmischen.

Müsste man die Musik beschreiben, trifft es herzhaft am besten, manchmal leicht schräg, aber mit viel Schwung und Begeisterung gespielt. Herzhaft sind auch die Bandmitglieder. Sie sind schwäbische Originale, für jeden Lacher zu haben, herb und freundlich, jung geblieben.

Auftritt in Heumaden:

Die Goschenhobler treten das nächste Mal am Sonntag, 3. April, auf. Sie begleiten den Gottesdienst in der Heumadener Gnadenkirche, Bockelstraße 125 B. Beginn ist um 10 Uhr.