Katalin Gennburg, Senatsabgeordnete der Linken aus Berlin, spricht bei der Nachtschicht mit Pfarrer Ralf Vogel über die Smart City.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Katalin Gennburg ist Sprecherin für Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City in Berlin und befasst sich mit der Stadt der Zukunft.

 

Stuttgart - Frau Gennburg, ich hoffe, mein Aufnahmegerät funktioniert – es ist schon zwanzig Jahre alt . . .

Das ist ein guter Einstieg! Denn es ist ja eben nicht smart, immer was Neues zu kaufen.

Aber geht es bei der Smart City nicht eben darum, neue Technologien zu verwenden?

Nun, wenn man neue Technologien zum Wohl der Allgemeinheit und zur besseren Steuerung von öffentlicher Daseinsversorgung und öffentlichen Infrastrukturen einsetzt, dann ist das ja auch absolut richtig.

Können Sie ein Beispiel nennen?

WLAN für alle wäre das üblichste Beispiel. Aus meiner Sicht wäre aber ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr deutlich wichtiger. Oder digitale Bürgerbeteiligungsplattformen zu schaffen und Nachbarschaften zu vernetzen. Es ist ein Zugewinn für alle, dass wir diese digitalen Anwendungen haben.

Gibt es dabei nicht auch Gefahren?

Das Problem ist, dass diese Anwendungen schon seit vielen Jahren von großen Beratungsunternehmen einfach verkauft werden, und zwar programmiert von großen Datenkraken wie Google, Cisco und IBM. Da müssen wir die Smart City als schöne neue Welt kritisch hinterfragen: Wir haben es in Städten mit einer Vielzahl an Sharing-Angeboten zu tun, E-Rollern und Fahrrädern, die eigentlich alle nur dazu da sind, Daten zu sammeln. Diese großen Unternehmen sammeln diese Daten, um sie weiterzuverkaufen.

Was also tun?

Die Gretchenfrage ist: Wem nützt es, und wer verdient damit Geld? Die Städte müssen unkommerzielle Anwendung für die Bürger im Sinne des Gemeinwohls entwickeln.

Wie bewegen wir uns in der Smart City?

Auf jeden Fall nicht mit dem autonomen Bus oder dem autonomen Auto. In der Stadt der Zukunft bewegen sich die Menschen vor allem zu Fuß oder mit dem Rad, mit dem Bus oder der Straßenbahn, oder der Seilbahn und der Fähre. Wir müssen hin zur Stadt der kurzen Wege.

In Stuttgart gab es eine Pop-up-Lane für Räder. Die sollte inzwischen zurückgebaut sein, aber die richtige Farbe für die alte Spur fehlt. Ist das ein Zeichen dafür , dass solche Projekte langfristiger angedacht werden sollten?

Absolut. Man muss aber sagen, die Pop-up-Lanes sind ja zunächst einmal eine Selbstverteidigung der Leute, die die Mobilitätswende einläuten wollen, weil Planungen irre lang brauchen. Aber generell brauchen wir eine langfristige Strategie, wir müssen die autogerechte Stadt zurückbauen und systematisch Raum für die Menschen zurückgewinnen. Das ist eine radikale Strategie, aber sonst werden wir die Fixierung aufs Auto im Städtebau nicht zurückdrängen. In Stuttgart geht es ja sehr stark um die Frage der Mobilität; daran wird die Ökologiefrage sichtbar: Können, wenn wir die Klimakrise abwenden wollen, alle ihre scheinbaren Privilegien behalten – oder nicht?

Stuttgart wählt nach acht Jahren mit einem Grünen an der Spitze einen neuen OB. Nach dem ersten Wahlgang führt mit Frank Nopper der Kandidat der CDU. Woran mag das liegen?

Es wird sich ja nächstes Jahr die Frage stellen: Gibt es einen Regierungswechsel in der Bundesrepublik? Da müssen sich die Grünen tatsächlich entscheiden, ob sie wirklich für einen Politikwechsel jenseits der CDU bereit sind. Rot-Rot-Grün als Regierungskoalition ist ja in verschiedenen Bundesländern bereits am Start. Die Grünen können nicht in beide Richtungen blinken. Die ökologische Frage ist auch eine Systemfrage, die kann man nicht mit ‚weiter so’ beantworten. Daraus lässt sich wohl auch beantworten, warum sich in Stuttgart ein Wechsel abzeichnet. Soweit ich weiß, ist das, was nach S 21 passiert ist, eine große Enttäuschung. Das wird an der Wahlurne quittiert.