Die Grabbepflanzung ist durch den trockenen Sommer für die Gärtner eine besondere Herausforderung. Manche Dienstleister verschieben das Abdecken mit Tannengrün deshalb lieber gleich nach Allerheiligen.

Fellbach - Sonnenschein, warme Temperaturen, trockenes Wetter – die meteorologischen Bedingungen der letzten Wochen schienen ideal für die Grabpflege und Neubepflanzung der Gräber in Hinblick auf die anstehenden Totengedenktage. Der Schein trügt. Der trockene Sommer stellte Friedhofsgärtner in den vergangenen Wochen vor logistische und zeitaufwendige Herausforderungen.

 

„Schlechter kann es eigentlich gar nicht sein“, beschreibt Helmut Seibold die Situation. „Ohne Gießkanne ging dieses Jahr gar nix“, nimmt der Chef der Gärtnerei Roos in Fellbach dem Laien die Illusion, dass das für die Jahreszeit ungewöhnliche warme Wetter und die nicht klammen Finger für ein unkompliziertes Arbeiten stehen. „Bevor wir pflanzen konnten, mussten wir erst einmal Tage zuvor die Gräber mehrfach heftig gießen.“ Sobald er ein Loch mit der Hand gemacht habe, um auf einem Grab Erika, Silberkraut oder ein Purpurglöckchen zu pflanzen, rieselte die Erde nach und das Loch sei wieder zu gewesen.

Die Erde auf den Gräbern ist dieses Jahr so trocken wie nie

„So trocken wie dieses Jahr haben wir die Erde auf den Gräbern noch nie vorgefunden“, sagt der Senior der Gärtnerei Roos. Der gelernte Gärtnermeister kann Vergleiche ziehen, über 40 Jahre macht er schon Grabpflege auf dem Kleinfeldfriedhof. Gelernt hat er bei Heinz Schick, dessen Sohn Thilo führt die Tradition der Friedhofsgärtnerei fort und ist ebenfalls auf dem Kleinfeldfriedhof zu Gange. Helmut Seibold hat sich selbstständig gemacht und die Gärtnerei Roos übernommen. Rund 1200 Gräber pflegt er zusammen mit seinem Team auf dem Fellbacher Stadt-Friedhof. Ende vergangener Woche war er mit dem Abräumen der Sommerbepflanzung und dem Vorbereiten für den Winter nahezu und mit dem Bepflanzen der Gräber für die Totengedenktage komplett fertig. „Wir mussten dieses Jahr zum ersten Mal unsere Kunden, bei denen wir die Gräber immer mit Tannenreisig für den Winter abdecken, vertrösten oder ihnen komplett davon abraten“, sagt Helmut Seibold. „Durch die Trockenheit wäre das Tannenreisig bis Allerheiligen braun und vertrocknet gewesen.“ Rund ein Drittel der Gräber deckt er normalerweise mit den kleinen Tannenzweigen, meist Blautanne, ab. „Dann ist man für den gesamten Winter fertig.“ Dieses Jahr wird er die Abdeckung erst später vornehmen – wenn überhaupt.

Für viele Gräber gibt es einen Dauerauftrag für die Pflege

Seibold ist zusammen mit seinem Sohn Gabriel und zwei Mitarbeitern auf dem Friedhof und geht bei der Bepflanzung systematisch vor. Für viele Gräber gibt es einen Dauerauftrag für die Grabpflege. „Viele Leute schließen einen Pflegevertrag über die Organisation der Württembergischen Friedhofsgärtner ab und setzen einen jährlichen Betrag, beispielsweise in Höhe von 250 oder 400 Euro, fest“, sagt Seibold. Ein Drittel der Gräber, die er pflegt, werden über einen solchen Vertrag abgerechnet, die anderen zwei Drittel sind Kunden, die seine Gärtnerei direkt mit der Pflege beauftragt haben. Er und sein Sohn Gabriel wissen dann genau, welchen Kostenrahmen sie jeweils haben. In einer Liste an ihrem Pflanzenwagen haben sie die einzelnen Gräber vermerkt. „Wir führen schon auf dem Friedhof eine Liste und rechnen entsprechend ab“, zeigt Gabriel Seibold, wie die Buchführung funktioniert.

Die Gießkannen stehen bereit. Foto: Patricia Sigerist
Viel Bräuche haben sich in den vergangenen Jahren beim Grabschmuck in Hinblick auf die Totengedenktage geändert, sagt Helmut Seibold. Längst vorbei seien die Zeiten, wo sie mit dem Binden von Grabgestecken aus Tannenreisig für Allerheiligen gar nicht mehr nachgekommen seien und Nachtschichten für die rund 800 bis 1000 Gebinde einlegen mussten. Heute benötige er maximal noch ein Drittel. Er beobachtet, dass viele Leute, wenn sie sich für ein Gebinde entscheiden, dieses im Super- oder Baumarkt kaufen. Und: Auch auf dem Fellbacher Friedhof zeigt sich, dass diebische Zeitgenossen beim Grabschmuck immer öfter lange Finger machen.

Die von Seibold gepflegten Gräber tragen eine unverkennbare Handschrift. Er arbeitet dieses Jahr mit den Farbtönen Hell- und Silbergrau und kombiniert sie gerne mit violettem Rot und teilweise auch Weiß. Erika, Mini-Alpenveilchen und auch Silberkraut gibt es in diesen Farben. Nachdem Seibold die Sommerbepflanzung abgeräumt und die Erde mehrere Tage intensiv gegossen hatte, markierte er eine Fläche mit dunkler Erde und bepflanzt sie. Oft legt er einen Rebstock zwischen die Pflanzen. „Wir bekommen sie von den Wengertern, wenn sie einen Weinberg roden.“

Ziemlich zurückgegangen ist die Nachfrage nach Frischblumen auf dem Friedhof. Das gilt speziell für die Gedenktage im November. „Früher wurden im Winter Nelken auf den Friedhof gebracht“, weiß Seibold. Mittlerweile werden auch große Chrysanthemen in Gelb und Weiß kaum mehr nachgefragt. „Man kommt ins Grübeln“, sagt Helmut Seibold, „wenn man Gräber von Personen pflegt, die man gekannt hat.“