Die Galerie Schlichtenmaier weitet ihr Angebot auf Schloss Dätzingen aus. Sie widmet sich anlässlich des 50-jährigen Bestehens umfassend der zeitgenössischen Kunst – ohne dabei ihren Sammlerschwerpunkt aufzugeben.

Grafenau - Stillstand bedeutet Rückschritt“, dieses Motto haben sich die drei Brüder Bert, Harry und Kuno Schlichtenmaier zu eigen gemacht. „What’s up ?!“ – unter diesem Motto steht deshalb eine Ausstellung, in der die Galeristen auf Schloss Dätzingen beleuchten wollen, was bei den jungen Künstlern und auch bei den älteren der Zunft heutzutage „so geht“. Die drei erweitern damit ihren Blickwinkel, der sich primär auf die klassische Moderne richtet. Sie tun das bewusst zum 50-jährigen Bestehen der Galerie Schlichtenmaier, weil sie nicht nur nach hinten, sondern auch nach vorne schauen wollen. „In einigen Jahrzehnten gehört die zeitgenössische Position ebenfalls der klassischen Moderne an“, sagt Kuno Schlichtenmaier, „und die Galerie soll es auch noch in 20 Jahren geben.“

 

Platino bietet jetzt Farbfelder

Der Stuttgarter Maler Platino, bekannt durch seine großflächigen, in Rot gehaltenen Werke, ist ein Beispiel dafür, dass die aktuelle Kunst nicht still steht. In der Dätzinger Ausstellung werden nun seine Koloraturen gezeigt, Farbfelder in Hellgelb, Mintgrün, Rosa oder Violett, die je nach Lichteinfall changieren. „Sie geben die Antwort auf die Frage, was geht“, sagt der Galeriemitarbeiter Kay Kromeier schmunzelnd, „je nachdem, zu welcher Tageszeit der Betrachter sein Auge darauf richtet.“

Den Gegenpol dazu stellt eine Ausstellung in der Stuttgarter Dependance des Galerie dar, die ebenfalls anlässlich des Jubiläums eröffnet wird. Vom 11. Juli an wird dort eine Werkschau eben jener klassischen Moderne zu sehen sein, der sich die Schlichtenmaiers verpflichtet sehen, seitdem sie die Galerie ihres Vaters 1979 übernommen haben.

Zwölf bis 15 Ausstellungen jährlich

Mit ihrem Sammlerschwerpunkt und dem renommierten Kunstangebot stießen die Schlichtenmaiers unter die Top Ten der deutschen Galerien vor. Die Spanne reicht von Max Ackermann und Willi Baumeister über Adolf Hölzel und Ida Kerkovius bis hin zu Georg Karl Pfahler und Oskar Schlemmer. Dabei lag den Galeristen freilich stets die vor Ort erschaffene Kunst am Herzen, etwa von Willi Baumeister, dessen Bedeutung in der deutschen Nachkriegskunst und dessen Wirkung auf die Avantgarde nach wie vor herausgestellt wird. Von dem Stuttgarter Künstler verkauften sie vor ein paar Jahren das bisher teuerste Werk: für fast eine Million Euro.

Über die Umsatzzahlen und die Anzahl der Werke, die sich im Schlichtenmaierschen Besitz befinden, darüber ist nichts Näheres zu erfahren. Kuno Schlichtenmaier sagt aber: „Das Geschäft läuft gut.“ Mehr als 6000 Kunden allein aus Deutschland befinden sich in der Datei. Die meisten besorgen sich über die Galerie-Homepage das, wonach ihnen der Sinn steht. „Drei bis vier Prozent der Bevölkerung interessiert sich grundsätzlich für Kunst“, vermutet Kuno Schlichtenmaier. Die anderen, die zu den zwölf bis 15 Ausstellungen an den beiden Galeriestandorten kommen, „sind nur zu mobilisieren, wenn es etwas Besonderes gibt“, sagt der Galeriechef. Etwa, als in diesem Jahr die Entwicklung von Adolf Hölzel zum Bauhaus aufgezeigt wurde oder als es in der Stuttgarter Galerie umfangreichere Ausstellungen zum Werk der Künstlerin Rosalie oder zu Platino gab.

Profunde Expertisen

„Gute Kunst ist mehr denn je gefragt“, zieht Kuno Schlichtenmaier Bilanz, „denn von guter Kunst trennt sich heutzutage niemand. Das sind Anlagewerte.“ Was gute Kunst ausmacht, brachte der im Dezember 2016 verstorbene Harry Schlichtenmaier mit einem Begriff auf den Punkt: „Eigenständigkeit“. Bei zeitgenössischen Vertretern, erklärte er einmal, „ist ausschlaggebend, „dass sie ihren Weg kompromisslos gehen und anderen Künstlern nicht hinterherhecheln.“ Ob sich jemand ein Kunstwerk kaufe oder nicht, darüber entscheide auch oft die Aussicht auf eine Wertsteigerung, Die promovierten Galeristen haben das im Blick und fertigen profunde Expertisen an.

Mit den Jahren schufen sie sich gute Kontakte zu privaten Sammlern und verwalten inzwischen auch Nachlässe namhafter Künstler. Dass das Geschäft einmal so florieren würde, davon konnten die drei Brüder nur träumen, als sie die Galerie im Jahr 1979 von ihrem verstorbenen Vater übernahmen. Dieser hatte in den 1960er Jahren mit anderen Kunsthändlern einen geeigneten Standort gesucht und in Dätzingen gefunden. Im Jahr 1969 mieteten sie sich in dem Malteserschloss ein. Hinter den altehrwürdigen Mauern werden jetzt erstmals – neben Platino – „die jungen Wilden“ gezeigt, die dort noch nie zu sehen waren. Getreu dem Motto „Stillstand bedeutet Rückschritt.“