Eine Hausbesitzerin lässt ihre Hausfassade von einem Künstler verschönern. Die Nachbarn und Passanten freut es, die Stadtverwaltung ist geteilter Meinung.

Ludwigsburg - Wer Carmen Ingeborg Graf in der Unteren Reithausstraße in Ludwigsburg besuchen mag, muss sich vorher keine Hausnummer aufschreiben. Denn das Haus, in dem die ehemalige Eiskunstlauf-Trainerin und jetzige Krankengymnastin lebt, fällt sofort ins Auge. Es ist farbenprächtig besprüht und zeigt an der Fassade den Kosmos mitsamt den Elementen Wasser, Feuer, Erde und Licht. Die Farben strahlen eine gelassene Heiterkeit aus, die dieser Straße mit ihren grauen Häusern ansonsten eher abgeht.

 

Verantwortlich für das Kunstwerk ist der 33 Jahre alte Simon Löchner. Seit seiner frühen Jugend arbeitet der Sozialpädagoge aus Remseck als Graffiti-Künstler. Durch Zufall wurde Graf auf ihn aufmerksam, und als sie ihn fragte, ob er nicht ihr Garagentor verschönern wolle, schlug er vor, doch gleich das gesamte Haus zu bemalen. „Ich fand die Idee klasse, denn seit ich das Haus vor vier Jahren gekauft habe, hat es mir vom äußeren Erscheinungsbild her nicht gefallen“, erzählt Graf.

Vor wenigen Wochen kam es schließlich zur Ausführung. Viele positive Kommentare habe sie von Passanten und Nachbarn bekommen, jedem habe es gefallen. Doch die Begeisterung über das Kunstwerk teilen nicht alle. So hat sich jüngst der Ludwigsburger Stadtplaner Martin Kurt abfällig über die Bemalung geäußert: Wenn sein Bereich im Vorfeld davon gewusst hätte, hätte er versucht, darauf Einfluss zu nehmen. Und das, obwohl die Fassadengestaltung bei privaten Gebäuden und Häusern allein dem Hausbesitzer obliegt – wenn es sich nicht um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt. Dies allerdings ist hier nicht der Fall, obwohl Carmen Ingeborg Grafs Haus aus dem Jahr 1877 stammt.

Tatsächlich hat Simon Löchner im Vorfeld sämtliche Skizzen und Unterlagen bei der Stadt Ludwigsburg eingereicht, allerdings beim Bürgerbüro Bauen, auf das man ihn als zuständige Behörde verwies. Sehr zum Missfallen von Martin Kurt, der eine solche Umgestaltung eines Objekts eher in seinem Zuständigkeitsbereich sieht. „Herr Kurt beschwerte sich, dass er keine Kenntnis von unseren Plänen gehabt habe, aber das fällt ja auch gar nicht in sein Ressort“, sagt Graf. Dass Kurt eine solche Fassadengestaltung offenbar nicht wünsche, könne sie nicht nachvollziehen. „Es ist doch schön, wenn mal ein bisschen Farbe in die Stadt kommt.“

Im Übrigen freue sie sich, dass sie eine Diskussion ausgelöst habe. Zahlreiche Kommentare in sozialen Netzwerken zeigten ihr, wie wichtig es Menschen sei, dass Farbe ins triste Alltagsgrau komme. Ähnlich sieht das auch der Baubürgermeister und Kurts Chef, Michael Ilk, der sich ganz anders anhört als sein Stadtplaner. „Ich sehe das ganz gelassen, mich stört das bunte Haus nicht“, sagt er.

Kurts Kritik und Anmerkung, dass die Stadt am liebsten auch hier Vorschriften gemacht hätte, entkräftet er. „Wir hätten nicht vorgeschrieben, sondern wären vielleicht beratend tätig geworden.“ Immerhin wolle die Stadt keine eigenen Wünsche der Hausbesitzer unterdrücken, sondern vielmehr die Kreativität der Bürger unterstützen; allerdings nur, wenn die Kunstwerke keine politische Botschaft transportierten. Was die Stadt denn täte, wenn es nun noch mehr Menschen einfiele, ihre Häuser bunt zu bemalen? „Vor dieser Frage stand ich noch nie, aber generell finde ich es positiv, wenn mal jemand ausschert.“

Carmen Ingeborg Graf jedenfalls ist stolz auf ihr Haus und kann Martin Kurts Bedenken nicht nachvollziehen. Immerhin gebe es in der Stadt auch wichtigere Dinge zu regeln, meint sie. Und: „Herr Kurt sollte auch mal was anderes planen und zeigen und froh darüber sein, dass Ludwigsburg nicht nur ein Schloss hat.“