In einer Ausstellung im Stadtpalais sind bis zur Langen Nacht der Museen am 23. März Werke des Stuttgarter Sprayers Jeroo zu sehen.

Stuttgart - Kreisförmig drapiert sich der Vogel um das Gesicht der jungen Frau wie ein Schutzwall. „Guardian“ heißt das Werk, das Elemente des Comics mit jenen des Jugendstils vereint. Das gilt auch für „Expectation“, auf dem eine Schwangere mit dem Mond – in romanischen Sprachen das weibliche Prinzip – zu verschmelzen scheint. Ebenso schwungvoll, indes kantig geometrisch kommt der „Kasselkranich“ daher, der zur documenta 2017 entstand. Der „Lobster“ wiederum lebt von fast fotorealistisch anmutenden Details. Kaum zu glauben, dass diese farbenfrohe Akkuratesse nicht mit dem Pinsel, sondern mit Spraydosen kreiert wurde – von Christoph Gantner alias Graffiti-Künstler Jeroo.

 

Wurzeln in der Straßenkunst

„Ohne abkleben geht das in diesem Format nicht“, erklärt er. „Das dauert mindestens genauso lang, wie wenn ich auf einer großen Wand arbeite, auf der ich einfach so loslegen kann.“ 36 Gemälde und Papierarbeiten von ihm sind nun im Stuttgarter Stadtpalais zu sehen und zu erwerben. „Off-Concrete“, also jenseits des Betons, heißt die Ausstellung. Ein Titel, der auf die künstlerische Entwicklung Jeroos verweist: von der Straßenkunst in die Hallen der Kunst. „Der Re-Import einer Gegenkultur aus dem Öffentlichen Raums in den legitimierten des Museums“, erklärt Vernissage-Redner Sebastian Baden, Kurator der Kunsthalle Mannheim. Das zeige, wie sich Kunstgeschichte und Subkultur beeinflussten.

Alfons Mucha als Vorbild

„Alfons Mucha ist eines meiner Vorbilder“, bekennt Jeroo. „Sowohl Jugendstil als auch Graffiti basieren auf Linien und Schwünge.“ Damit versuche er, in seinen Atelierarbeiten eine neue Stilrichtung zu schaffen. Hinzu kommen Elemente des Comics, der Kalligraphie und der Geometrie, kombiniert mit besonderen Effekten wie perlenden Wassertropfen, die er von Autolackierern lernte. Bereits mit zwölf Jahren begann Jeroo Schriften zu gestalten und seine Tags, also die Signaturen in seinem Stil, im öffentlichen Raum anzubringen.

Mittlerweile ist er ein gefragter Künstler

Er sei als Teenager auch ein paar Mal erwischt worden, schmunzelt der 38-Jährige. Doch längst ist der Mann, der aus der ersten Sprayer-Generation kommt, eine internationale Größe, ebenso seine Motive und organische, oft aus der Natur entlehnten Formen – Fische, Vögel, Pflanzen. Nachwuchssprayer lassen sich von seinen Bildern, die noch auf Stuttgarts Wänden und oder Brückenpfeiler zu sehen sind, inspirieren. Seit 25 Jahren prägen nun seine Arbeiten nicht nur das hiesige Stadtbild, sondern auch das anderer deutscher und ausländischer Städte. Längst wird er gebeten, Leben auf manche triste Betonmauer zu bringen, etwa am Nordbahnhof oder Sommerrain im Auftrag der Deutschen Bahn.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 23. März. Dann findet während der Langen Nacht der Museen die Finissage statt mit Graffiti-Aktion von Jeroo und Führungen. (mos)