In der Ferienhochburg Playa del Inglés fürchten sich Wohnungseigentümer vor Enteignungen. Ein neues Gesetz der Regionalregierung sieht das unter Umständen vor.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Gran Canaria - Für Walter Schmidt ist Gran Canaria „ein Stück Heimat“. Der 70-Jährige aus Remscheid besitzt gemeinsam mit seiner Frau in Playa del Inglés im Süden der Insel ein Apartment, in dem er sechs Monate im Jahr verbringt. Im Oktober fährt er wieder hin, mit dem Auto und mit der Fähre. Ein wenig nervöser als sonst. Ein kanarischer Anwalt ist vor kurzem für ihn zum Grundbuchamt der Gemeinde gegangen und hat festgestellt, dass die Wohnanlage, deren Verwalter Schmidt seit einigen Jahren ist, dort als „touristisch“ eingestuft wird. Da darf, außer Kurzzeiturlaubern, eigentlich niemand wohnen.

 

Die Wohnanlage nicht weit vom Strand gibt es schon seit 1968. Schmidts Vater war einer der ersten, die sich dort einkauften. 30 Deutsche, ein Schweizer und eine Spanierin haben hier ihren Erst- oder Zweitwohnsitz. „Touristisch genutzt wurden die Wohnungen noch nie“, sagt Schmidt. Als ihm der Anwalt empfahl, Einspruch gegen die Einstufung als touristische Anlage zu erheben, meinte der Remscheider: „Das müssen wir doch nicht.“ Doch der Anwalt empfahl ihm: „Das sollten Sie ernst nehmen!“

Regionalregierung hat ein neues Gesetz erlassen

In der Gemeinde San Bartolomé de Tirajana, zu der Playa del Inglés gehört, leben mehr als 16 000 Menschen – schätzungsweise 11 000 von ihnen Ausländer, vor allem Deutsche, Briten und Skandinavier – in Wohnungen, Apartments oder Häusern, die eigentlich touristisch genutzt werden sollten. Sie leben dort offiziell angemeldet. Das hat jahrzehntelang niemanden gestört. Doch vor zwei Jahren erließ die kanarische Regionalregierung ein neues Gesetz, das sie im Mai dieses Jahres mit einem Dekret weiter ausführte, in dem für diese Wohnungen die „Pflicht, sich an die touristische Nutzung zu halten“, festgeschrieben wird.

San Bartolomé de Tirajana ist die erste Gemeinde, die nach diesem Gesetz einen Raumordnungsplan erlassen hat, in dem genau zwischen Gebieten unterschieden wird, in dem Residenten leben dürfen – und wo nicht. Seit der Plan in diesem Sommer veröffentlicht wurde, fürchten Tausende Apartmentbesitzer um ihr Eigentum.

„Ich fühle mich betrogen“, sagt der 53-jährige Norweger Frederick Clederly. Er lebt seit 17 Jahren auf Gran Canaria, das ganze Jahr über, und betreibt dort einen Friseursalon. Vor sieben Jahren kaufte er sich eine Wohnung in Playa del Inglés in einer Anlage, die zu 51 Prozent als Aparthotel und zu 49 Prozent als Wohnhaus für Residenten genutzt wird. Doch nach dem Raumordnungsplan dürfen hier nur Touristen unterkommen. „Niemand hat mich gewarnt, nicht der Notar, nicht mein Anwalt, nicht die Bank“, schimpft Clederly. „Ich versuche, ein guter Bürger zu sein – und so will ich auch behandelt werden!“

Die Renovierung muss andere Standards erfüllen

Noch ist es nicht mehr als eine Drohung, die über den Köpfen von Schmidt und Clederly schwebt, und noch wissen sie nicht einmal genau, worin die Drohung in ihrem konkreten Fall besteht. Eine Bürgerinitiative, die sich „Plataforma Técnica Apartamentos Sur de Gran Canaria“ nennt, interpretiert die neue Rechtslage so, dass die Residenten enteignet werden können. Das Dekret zum „Gesetz über die touristische Erneuerung und Modernisierung der Kanaren“ erwähnt diese Möglichkeit im Falle der Weigerung, notwendige Renovierungen am Wohnungsbesitz durchzuführen. Doch die Renovierung einer ausschließlich touristisch genutzten Anlage muss andere Standards erfüllen als die einer Privatwohnung. „Wir haben keinen zweiten Feuerlöscher auf den Gängen“, sagt Walter Schmidt. „Die könnten wir ja noch problemlos anbringen. Aber wir haben auch keine zweite Feuerleiter und keinen Rettungsschwimmer am Swimmingpool.“

Die größten Sorgen machen sich die Residenten in gemischt genutzten Anlagen, so wie der Norweger Clederly. Er fürchtet, dass er seine Wohnung an den Hotelbetreiber in der selben Anlage abtreten muss, gegen eine symbolische Miete, ohne Kontrolle über sein Eigentum. Die kanarische Tourismusministerin María Teresa Lorenzo hat diese Woche vor dem Regionalparlament angekündigt, erst einmal eine „gründliche Studie“ über die Residenten in eigentlich dem Tourismus vorbehaltenen Zonen durchzuführen. „Das Letzte, was diese Leute jetzt brauchen, ist unnötiger Alarm“, sagte sie. Beruhigt hat sie die Residenten damit noch nicht.