Grandmaster Flash zählte zu den Erfindern des Hip-Hop, hat Plattenspieler in Musikinstrumente verwandelt. Jetzt hat sich die DJ-Legende für ein Konzert im Wizemann angekündigt. Wir erinnern an eine Begegnung bei seinem letzten Besuch in Stuttgart.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - „Dieser Plattenspieler ist völlig unbrauchbar.“ Der Mann am DJ-Pult ist genervt. In ein paar Stunden soll Grandmaster Flash hier im Romy S. beim 12inch Friday das machen, was er besser als alle anderen kann: Platten auflegen. Doch jetzt will der 53-Jährige erst einmal einen anderen Plattenspieler, bessere Kabel, ein höheres, bequemeres Podest. Und überhaupt: Was ist bloß mit dieser Lautsprecheranlage los?

 

Der Soundcheck dauert viel länger als geplant. Eigentlich sollten wir bereits in seiner Suite im Hotel am Schlossgarten sitzen. Das Interview wurde darum kurzfristig ins Romy S. verlegt. An seinem DJ-Pult fühlt sich Grandmaster Flash mit Schirmmütze auf dem Kopf und dem übergroßen Sweatshirt sowieso wohler als in einem Nobelhotel. Seit über 30 Jahren arbeitet er als DJ. Als Joseph Saddler in der Südbronx in New York aufgewachsen, fing er in den 1970er Jahren an, auf Partys Platten aufzulegen, langweilte sich aber bald damit, immer nur ein Lied nach dem anderen zu spielen, er fing an, verschiedene Platten gleichzeitig laufen zu lassen, bestimmte Breaks durch das Zurückdrehen einer Platte wieder und wieder zu spielen, entwickelte eine unglaubliche Fingerfertigkeit beim Scratching und schuf mit diesen Techniken die Voraussetzungen für den Hip-Hop-Boom, der folgen sollte.

Es braucht nur zwei Plattenspieler und ein Mikrofon

„Viele Leute waren damals irritiert, wenn sie sahen und hörten, was ich so am Plattenspieler mache“, sagt Grandmaster Flash, der den Soundtrack für ein neues Musikgenre schuf, das nicht mehr brauchte als zwei Plattenspieler und ein Mikrofon, einen Rapper und einen DJ. Und einer der ersten Stars dieser kreativen Form des Musikrecylings war Grandmaster Flash. Mit seiner Formation Grandmaster Flash and the Furious Five schuf er Anfang der 1980er Jahre frühe Hip-Hop-Meilensteine wie „The Message“ oder „White Lines“. Und vor allem das Sieben-Minuten-Solo „The Adventures of Grandmaster Flash on Wheels of Steel“ - ein Mash-up, in dem er seine Virtuosität an den Plattentellern unter Beweis stellt, indem er „Rapture“ von Blondie, „Another One Bites The Dust“ von Queen, „Good Times“ von Chic und „Apache“ von der Incredible Bongo Band aufeinandertreffen ließ.

Seine Mash-up-Kunst wird er auch in Stuttgart vorführen. Schon beim Soundcheck vermengt er Filmmusikschnipsel, Black-Sabbath-Riffs und Soulbläsersätze mit knackigen Beats. Und später in der Nacht, wenn es im Romy S. kaum mehr ein Durchkommen gibt, wird er nicht bloß KRS-One, Gang Starr oder Snoop Dogg spielen, sondern auch Nirvana, Blur oder Daft Punk verarbeiten und beweisen, dass Hip-Hop keine Musik für engstirnige Menschen ist.

Die Kunst, Stimmungen zu wechseln

Ein Track auf seiner letzten Platte „The Bridge“ heißt „We Speak Hip-Hop“ und erzählt von der Musik, die Sprachbarrieren überwinden kann. „Hip-Hop ist eine universelle Sprache“, sagt er, „und mein Job als DJ ist es, mich für jede Musik zu öffnen.“ Kürzlich hat er zum Beispiel Igor Strawinskys „Le sacre du printemps“ entdeckt. „Das Stück hätte mir bestimmt auch schon gefallen, als ich als DJ angefangen habe, weil es so virtuos die Stimmungen wechselt, erst ist es fröhlich, dann traurig, dann furchterregend - und als DJ versucht man eigentlich genau das Gleiche zu machen, ständig neue Stimmungen zu erzeugen.“

Wer keinen Ärger mit ihm bekommen möchte, sollte Grandmaster Flash auf keinen Stil festlegen. Und ja nicht auf seine Rolle als Hip-Hop-Pionier. „Ich spreche da nicht so gerne drüber, weil das längst vorbei ist und alles schon gesagt wurde“, beantwortet er entsprechende Fragen mürrisch. Wer wissen will, wie es war, als Hip-Hop noch kein Mainstream-Phänomen war, sondern ein Untergrund-Ding war, soll lieber seine Autobiografie lesen: 2008 erschien „The Adventures of Grandmaster Flash: My Life, My Beats“.

Hip-Hop als neuer Standard der populären Musik

Dass im Hip-Hop der virtuose Umgang mit den Vinylschreiben immer weniger gefragt ist, seit die meisten DJs statt Plattenspielern mit einem Laptop arbeiten, stört ihn kaum. „Ich selbst verwende neben Platten inzwischen auch Sounddateien. Das macht das Touren einfacher, weil man nicht mehr ganz so viele Platten mitschleppen muss.“ Und um zu beweisen, dass man mit über 50 Jahren nicht altmodisch werden muss, möchte er auf seinem nächsten Album vor allem mit elektronischen Beats arbeiten.

Auch wenn Grandmaster Flash nicht zum Nostalgiker taugt, ist er doch stolz darauf, dass seine Formation Grandmaster Flash and the Furious Five der erste Hip-Hop-Act war, der 2007 in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen wurde. „Es wurde langsam Zeit, dass die Rocktraditionalisten endlich merken, dass Hip-Hop heutzutage Standards für die populäre Musik setzt“, sagt er, „doch obwohl ich mich da in Gesellschaft von Michael Jackson, James Brown oder Prince ziemlich wohlfühle, gibt es einige Hip-Hop-Acts, die es ebenfalls verdient hätten, dort aufgenommen zu werden.“ Auf einen Namen möchte er sich aber lieber nicht festlegen lassen, schiebt sich die Baseballkappe zurecht und kann es gar nicht erwarten, an die Plattenteller zurückzukehren.

Grandmaster Flash tritt am 17. Februar 2019 in Stuttgart im Wizemann auf.