1951 hat der verschrobene Großautor Arno Schmidt in „Schwarze Spiegel“ von der Postapokalypse erzählt. Nicolas Mahler hat daraus einen feinen Comic gemacht.

Stuttgart - Das hat ja prima geklappt. Die Auslöschung der Menschheit nämlich. Findet jedenfalls jener Überlebende, der da 1960, fünf Jahre nach dem Atomkrieg, in Norddeutschland unterwegs ist. Niemand nervt ihn mehr, er hat nun Zeit und Muße, mit gut geölter Grantigkeit über die Dummheit der menschlichen Spezies und deren begrüßenswertes Ende zu spotten.

 

Sympathisch muss man diesen Kerl nicht finden, aber rasend interessant ist er fraglos. Schon weil er so viel mit seinem Erfinder gemeinsam hat, mit dem Autor Arno Schmidt. Der hat die postapokalyptische Erzählung „Schwarze Spiegel“ schon 1951 geschrieben, als viele seiner Kollegen noch vom Zweiten Weltkrieg erzählten. Nicht nach hinten schauen, nach vorne, freut euch auf den Dritten Weltkrieg, der macht endlich mit allem Schluss: So schnitt Schmidt der deutschen Wird-schon-wieder-Gesellschaft eine aufregend fiese Grimasse. Viel gelesen wurde er, den man zu den Großen der deutschen Literatur zählt, zwar trotzdem nie. Aber nun gibt es einen neuen Quereinstieg in Schmidts Welt: Nicolas Mahler hat aus „Schwarze Spiegel“ eine Graphic Novel gemacht.

Ein bitteres Gedankenspiel

Mahler ist mit Sammlungen hochkomischer, im Kern pessimistischer Cartoons und gezeichneter Kurzgeschichten bekannt geworden („Mein Therapeut ist ein Psycho“, „Pornografie und Selbstmord“). Er ist ein Meister der Reduktion, dessen Verknappungen und Verzerrungen Menschen und Dingen zu verstehen geben: Für detailliertes Nachzeichnen seid ihr nicht schön und wichtig genug. Für „Schwarze Spiegel“ kürzt er Schmidts Text radikal, stellt den Rest ein wenig um und entfernt auch aus jedem ausgewählten Moment noch ein paar Details, die Schmidts knurriger Ich-Erzähler übrig ließ.

Das Ergebnis überzeugt: Mahler geht es kein bisschen mehr um die Welt nach dem Vernichtungskrieg. Beziehungsweise, um die Beschimpfung der Welt vor dem Atomblitz. Er fasst Bild um Bild die rührende Einsamkeit dieses verqueren Erzählers, die in weiten Teilen auch die hagestolze Einsamkeit von Schmidt ist, der zusammen mit seiner Frau Alice Jahrzehnt um Jahrzehnt in einem Hüttchen in der Lüneburger Heide eigenbrötelte. Das nimmt den Autor auf den Arm, nimmt ihn aber auch an. Es vermittelt das reizvoll Bittere des Gedankenspiels „Endlich Ruhe mit allem und allen.“

Arno Schmidt/Nicolas Mahler: Schwarze Spiegel. Suhrkamp-Verlag. 191 Seiten, 24 Euro