Das Europaparlament will härtere Grenzwerte als die EU-Staaten. In Europa zugelassene Fahrzeuge werden künftig von Gesetzes wegen deutlich weniger Sprit verbrauchen dürfen. Am Montag kommt es möglicherweise zum Showdown in Brüssel.

Brüssel - In Europa zugelassene Fahrzeuge werden künftig von Gesetzes wegen deutlich weniger Sprit verbrauchen dürfen. Das ist schon klar, bevor am heutigen Montagabend die möglicherweise entscheidende Verhandlungsrunde über die neuen europäischen Kohlendioxid-Obergrenzen stattfindet. Der irischen Ratspräsidentschaft zufolge, die sich um 19 Uhr im Namen der Mitgliedstaaten mit einer Abordnung des Europaparlaments trifft, „sind wir sehr nahe an einem Ergebnis“. Der baden-württembergische CDU-Europaabgeordnete Thomas Ulmer, der ebenfalls mit dabei sein wird, bewertet die Einigungschancen dagegen nur mit 50:50.

 

Unstrittig ist, dass die 2015 zu erreichende Obergrenze von maximal 130 Gramm pro gefahrenen Kilometer nicht das letzte Wort war. Der durchschnittliche Flottenverbrauch der europäischen Autobauer wird bis 2020 auf 95 Gramm gesenkt werden müssen, wobei die Hersteller größerer Fahrzeuge etwas darüber liegen dürfen und die Kleinwagenproduzenten noch darunter liegen müssen. Diese Zielmarke war bereits bekannt, bisher allerdings nur optional vorhanden. Das neue Gesetz soll sie jetzt verbindlich machen.

Bessere Testverfahren zum Kohlendioxidausstoß gefordert

Einigkeit herrscht bei beiden europäischen Gesetzgebungsorganen auch darüber, dass „die bisherigen Testverfahren dazu, was ein Fahrzeug tatsächlich ausstößt, nicht ausreichen und zu viele Schlupflöcher enthalten“, wie ein EU-Diplomat es ausdrückt: „Sie müssen künftig den CO2
-Ausstoß im realen Verkehr besser abbilden.“ Nach Berechnungen der Umweltschutzorganisation International Council of Clean Transportation beträgt die Diskrepanz inzwischen ein Viertel. Ohne die Möglichkeit des Schönrechnens rücken die Ziele freilich ein Stück weiter in die Ferne.

„Die deutsche Automobilindustrie wird alles daransetzen“, so versprach Verbandspräsident Matthias Wissmann schon vor Jahresfrist, „diese anspruchsvolle Reduktionsleistung zu erbringen.“ Das Ziel, das einem Verbrauch von rund vier Litern Benzin auf 100 Kilometer entspricht, sei „sehr ambitioniert“. Implizit hieß das wohl, dass es irgendwie zu schaffen sei. Der Abgeordnete Thomas Ulmer nennt als Beispiel den Daimler-Konzern, der trotz Wehklagen der Branche die Vorgaben schon jetzt fast erreicht hat.

Die Harmonie endet jedoch abrupt, wenn es um die Zeit nach 2020 geht. Das Europaparlament fordert, dass die Obergrenze im Jahr 2025 auf einen Wert zwischen 68 und 75 Gramm je Kilometer gesenkt wird. Was Umweltorganisationen wie dem WWF, der 60 Gramm gefordert hatte, noch zu wenig ist, geht dem Ministerrat zu weit. „Dagegen gibt es im Rat erheblichen Widerstand“, sagt ein mit den Verhandlungen vertrauter EU-Diplomat. Nicht zuletzt die Bundesregierung lehnt ein neues Langfristziel ab, nachdem VDA-Präsident Wissmann kürzlich in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel davor gewarnt hat, dass „wir unser leistungsfähiges und starkes Premiumsegment, das fast 60 Prozent der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller in Deutschland ausmacht, über willkürlich gesetzte Grenzwerte buchstäblich kaputtregulieren lassen“.

Kompromiss über Vorgaben bis 2025 gestaltet sich schwierig

Ein Kompromiss scheint bei dieser Ausgangslage schwierig. Ein Ratsvertreter sagte der Stuttgarter Zeitung, ohne eingehende Studien zur Abschätzung der Folgen könne man „nicht einfach neue Werte festlegen“. Der CDU-Parlamentarier Thomas Ulmer berichtet dagegen von seinem Verhandlungsmandat, wonach „auf eine Zahlenangabe nicht zu verzichten ist“. Auch für den SPD-Angeordneten Matthias Groote, der als Vorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament die Verhandlungen leiten wird, ist die Frage eines Grenzwerts für 2025 „der Knackpunkt“. Er erkennt dennoch das von der Autoindustrie vorgebrachte Argument an, dass es „natürlich eine natürliche Grenze gibt“, wie der Benzinverbrauch reduziert werden kann: „Und vom Ziel, bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, sind wir noch sehr weit entfernt.“

Sollten sich beide Seiten in diesem Punkt dennoch annähern, wartet noch ein weiterer Streitpunkt gerade im Bereich der Elektromobilität. Über sogenannte „Supercredits“ können sich die Autohersteller schon in der laufenden Gesetzgebung besonders schadstoffarme Autos mit einem Ausstoß von weniger als 50 Gramm CO2
pro Kilometer höher anrechnen lassen. Das Europaparlament will den entsprechenden Anrechnungsfaktor auf 1,5 begrenzen – damit die CO2-Einsparungen auch wirklich von den Benzinern kommen. Die Bundesregierung, die einem EU-Diplomaten zufolge ein Ergebnis anstrebt, das „sowohl für die Autoindustrie akzeptabel als auch für den Klimaschutz ambitioniert ist“, setzt auf einen deutlich höheren Faktor: Ein Elektroauto soll 2020 bei der Berechnung des Flottendurchschnitts wie drei Autos zählen und erst 2023 wie eineinhalb.

Der vorherige deutsche Vorschlag, wonach die Hersteller diese „Supercredits“ sammeln und in späteren Jahren einsetzen könnten, um dann auf bessere Emissionswerte zu kommen, war in der Sitzung der EU-Botschafter am vergangenen Mittwoch abgeschmettert worden. „Wir haben dafür“, so der EU-Diplomat, „so gut wie keine Unterstützung bekommen.“