„Grenzwertig positiv“ lautete das Testergebnis einer Frau aus dem Rems-Murr-Kreis. Doch wie kann ein Corona-Test grenzwertig sein? Und warum vergingen mehrere Tage, bis eine nahe Angehörige als Kontaktperson eingestuft wurde?

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Waiblingen - Erna Berger (Name geändert) hat den Schreck auch einige Wochen danach noch nicht verkraftet. „Ich bin doch corona-positiv“, sagt die über 80-Jährige immer wieder. „Meine Mutter ist völlig durch den Wind“, berichtet ihre Tochter Judith, die ebenfalls anders heißt. Tatsächlich war Erna Berger offenbar nicht mit dem Coronavirus infiziert. Doch bis es eine Entwarnung gab, haben Mutter und Tochter einige Aufregung durchgestanden.

 

Was bedeutet „grenzwertig“?

Wegen eines anderen Leidens kam Erna Berger vor ein paar Wochen ins Rems-Murr-Klinikum. Bei der Aufnahme sei sie negativ auf Sars-CoV-2 getestet worden, nach mehrwöchiger stationärer Behandlung sollte sie schließlich in eine Pflegeeinrichtung kommen. Zuvor sei an einem Freitag noch in der Klinik ein weiterer Corona-Test erfolgt, berichtet ihre Tochter. Dessen Ergebnis lautete „grenzwertig positiv“ – und löste einige Verwunderung aus. „Wie kann ein Test grenzwertig positiv sein?“, fragt sich Judith Berger. Entweder man habe Corona oder eben nicht.

Eine Sprecherin des Rems-Murr-Klinikums bestätigt das Testergebnis und verweist zur medizinischen Einschätzung auf das Labor Synlab, das die Probe ausgewertet hat. Dort erklärt ein Sprecher, dass ein grenzwertig positiver Test beispielsweise dadurch zustande kommen könne, dass beim Abstrich zu wenig Probenmaterial entnommen worden ist.

Eigenständig in Isolation begeben

Möglich sei aber auch, dass die Viruslast, also die Anzahl von Viren, zum Zeitpunkt des Abstrichs noch oder wieder sehr gering sei – etwa dann, wenn der Patient ganz am Anfang der Infektion stehe oder diese bereits fast überwunden habe. „Wir bekommen häufiger von behandelnden Ärzten und Gesundheitsämtern die Information, dass Patienten in seltenen Fällen noch lange Zeit, nachdem die Symptome abgeklungen sind, niedrige, aber dennoch eindeutig nachweisbare Ergebnisse bekommen“, so der Sprecher.

Im Fall von Erna Berger heißt es nach dem grenzwertigen Testergebnis erst einmal: abwarten. Ein weiterer Test soll Klarheit bringen. Unterdessen begibt sich ihre Tochter eigenständig in Isolation und lässt noch an jenem Freitagnachmittag in einem Testzentrum einen Abstrich machen. Bis Montag passiert nichts, dann nimmt Judith Berger in der Wohnung ihrer Mutter einen Anruf entgegen, als sie dort nach dem Rechten sieht. „Das war das Gesundheitsamt, das versucht hat, die Kontakte meiner Mutter nachzuvollziehen. Offenbar wusste dort niemand, dass sie gar nicht zuhause, sondern noch in der Klinik ist.“

Fehler bei der Übergabe

Auch die Nummer der Tochter habe das Amt anscheinend nicht gehabt, obwohl sie ihre Mutter bis einen Tag vor dem Test regelmäßig in der Klinik besucht hatte und schließlich als Kontaktperson eingestuft worden war. Judith Berger ist irritiert und fragt sich, warum Informationen, die die Nachverfolgung von Kontakten erleichtern und beschleunigen würden, nicht gleich vom Krankenhaus an das Gesundheitsamt weitergegeben werden.

„Die Hauptaufgabe der Nachverfolgung liegt beim Gesundheitsamt“, erklärt eine Sprecherin des Rems-Murr-Klinikums. Dort müsse auch entschieden werden, wer überhaupt als Kontaktperson eingestuft werde. Im Gesundheitsamt weiß man inzwischen, wie es zu der Verzögerung im Fall Berger kam: Nachdem die Behörde am Freitag vom Labor über das Testergebnis in Kenntnis gesetzt worden war, sei der Fall bei der Übergabe von der Wochen- an die Wochenendschicht untergegangen, sagt eine Sprecherin des Landratsamts. Deshalb sei am Wochenende nichts passiert.

Fachpersonal nimmt die Tests vor

„Wir wissen jetzt, woran es lag und können es beheben“, versichert sie. Die Schnittstelle bei der Übergabe werde optimiert. Dass die Sachbearbeiterin am Montag bei der Erkrankten zu Hause angerufen habe, sei Absicht gewesen. Sie habe gehofft, unter der Nummer auf Familienangehörige zu treffen. Wäre sie erfolglos gewesen, hätte sie selbstverständlich versucht, über die Klinik an Kontakte zu gelangen, so die Sprecherin. Judith Berger habe toll reagiert, indem sie sich zunächst selbst isoliert habe.

Letzten Endes gab es für die Bergers Entwarnung: Am Dienstag lag das Ergebnis des zweiten Corona-Tests vor: negativ. Warum der erste Test grenzwertig positiv war, wird wohl unklar bleiben. „Eine Verunreinigung sollte unter guten Hygieneumständen bei der Abnahme nicht vorkommen. Verschleppungen und Kontaminationen im Labor sind höchst unwahrscheinlich und zeigen sich – falls sie auftreten – in der Regel durch erkennbare Muster oder abnormale Messkurvenverläufe. Diese Proben werden vor der Befunderstellung erneut gemessen“, teilt Synlab mit. „Nur Fachpersonal nimmt bei uns Abstriche, die Mitarbeiter sind alle geschult“, betont die Sprecherin des Rems-Murr-Klinikums. Trotzdem ließe sich natürlich nie ganz ausschließen, dass ein Test mal falsch abgenommen werde.

Nach der großen Unsicherheit wollte Erna Berger nicht mehr in eine Pflegeeinrichtung, sondern nach Hause. „Von Krankenhäusern, Laboren und Heimen hat sie die Nase voll“, sagt ihre Tochter.

Wie der Corona-Test funktioniert und was er aussagt

Funktionsweise
Beim sogenannten PCR-Test wird dem Patienten ein Abstrich aus dem Rachenraum entnommen. Im Labor wird dann mithilfe eines molekularen Verfahrens geprüft, ob sich Erbgut des Virus’ in der Probe nachweisen lässt.

Zeitpunkt
Erfolgt der Test zu früh nach der Ansteckung, besteht die Gefahr, dass er nicht anschlägt. „Die klinische Erfahrung sowie Studien zeigen, dass in aller Regel drei bis fünf Tage nach der Infektion das Virus bei nahezu allen Patienten nachweisbar ist, sofern eine korrekte Probenentnahme vorliegt“, teilt das Labor Synlab mit.

Aussagekraft
„Ein qualitativ positives Testergebnis sagt nur begrenzt etwas zur Ansteckungsfähigkeit des Getesteten aus“, so Synlab. Zwar könne man davon ausgehen, dass Patienten mit einer hohen Viruslast ein hohes Potenzial haben, das Virus zu verbreiten. Einige Studien hätten aber gezeigt, dass in der Umgebung von Patienten, bei denen etwa über Wochen eine geringe RNA-Menge nachgewiesen werden konnte, keine Neuinfektionen auftraten. Daher bedürfe jedes Ergebnis einer ärztlichen Einordnung.