Merkels neuer Griechenland-Beauftragter Norbert Barthle sieht einen Neubeginn im Verhältnis beider Länder. Die in Athen regierende Partei Syriza habe ihre Widerstände aufgegeben. Aber auch hierzulande muss der Schwabe noch Ressentiments überwinden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die während der Finanzkrise ins Leben gerufene Deutsch-Griechische Versammlung (DGV) ist heute ein Motor der Beziehungen beider Länder auf kommunaler Ebene. Anfang November steht auf Kreta das achte Jahrestreffen an. Neuer deutscher Spitzenvertreter ist Norbert Barthle aus Schwäbisch-Gmünd. Der Parlamentarische Staatssekretär des Entwicklungsministeriums hatte im Mai Hans-Joachim Fuchtel (ebenso CDU) als Griechenland-Beauftragten abgelöst.

 

Herr Barthle, Ministerpräsident Tsipras hat jüngst von einem Neubeginn in den deutsch-griechischen Beziehungen gesprochen. Sehen Sie auch eine gute Chance, die Krisenjahre zurückzulassen?

Genauso ist es. Wir wollen diese Phase der Vergangenheit abschließen und neue Wege beschreiten. Die Deutsch-Griechische Versammlung hat in ihrer Gründerzeit auch ein Stück weit unter dem angespannten deutsch-griechischen Verhältnis gelitten. Zurückreichend auf die Zeit der Rettungsschirme gab es gegenseitige Vorurteile, die immer wieder aufgeheizt wurden. Überwundene Klischees wurden in beiden Ländern neu belebt. Unter diesen Ressentiments hatten auch mein Vorgänger Hans-Joachim Fuchtel und die DGV zu leiden, weil auf vielen Ebenen Widerstand geleistet wurde. Dies betrachte ich nun als überwunden. Die Stimmungslage hat sich auch mit Abschluss der letzten Rettungsprogramme verändert. Griechenland entwickelt sich positiv und steht auf eigenen Beinen.

Hat man bisher um die regierende Syriza eher einen Bogen gemacht, sodass Sie nun einen engeren Kontakt suchen?

Genau das ist meine Absicht. Wir erleben eine deutlich entspannte Beziehung zwischen unseren Regierungschefs. Angela Merkel telefoniert regelmäßig mit Alexis Tsipras. Da haben sich auch Vorurteile abgebaut. Auch beim Besuch des Bundespräsidenten in Athen gab es eine große Einigkeit: Ungeachtet nationalistischer Bewegungen zeigen wir, dass Europa ein Friedens, Arbeits- und Wirtschaftsprojekt ist. Syriza hat da auch Schritte nach vorne gemacht. Es ist mir gelungen, dort das Eis zu brechen und eine neue Offenheit zu erreichen, weil wir uns überparteilicher aufstellen wollen.

Woran machen Sie das fest?

Tsipras persönlich hat mit Rena Dourou eine Regierungsbeauftragte für die DGV ernannt. Das gab es bis dahin noch nicht. Dieser Meilenstein verändert die Ausgangslage unserer Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene enorm. Denn so viele Projekte brauchen die Genehmigung der Zentralregierung. Damit eröffnen sich neue Wege, weil wir mit der Beauftragten einen Zugang zu den Ministerien erhalten.

Müssen Sie auch noch Widerstände in den eigenen Reihen überwinden?

So ist es. Es gibt immer noch Ressentiments bei uns – von hochverschuldeten Griechen etwa, die nicht vorankommen. Nicht überall wird wahrgenommen, was sich dort getan hat. Dies in unsere Kommunen hineinzutragen, ist mir ein wichtiges Anliegen: Griechenland ist auf einem positiven Weg. Dies muss man bestärken und darf es nicht unterminieren.

Welche Akzente wollen Sie noch setzen?

Ich möchte die DGV noch stärker als bisher in Richtung wirtschaftliche Zusammenarbeit ausrichten. Wir haben einen guten Kontakt zur Außenhandelskammer in Athen. Diese betrachte ich als einen weiteren Katalysator, um auf der Ebene der Kommunen kleine und mittlere Unternehmen zusammenzubringen. Da gibt es noch viel ungenutztes Potenzial auf beiden Seiten. Zudem ist nach sechs Jahren des Aufbaus eine Zäsur vonnöten. Wir wollen in aller Ruhe evaluieren: Was hat bisher stattgefunden, was davon ist nachhaltig, und was waren Eintagsfliegen? Zudem will ich die DGV organisatorisch so aufstellen, dass diese in Europa einzigartige Konstruktion auf Dauer Bestand hat.

Bisher ging es ja um alles Mögliche: von der Feuerwehr über Müllbeseitigung und Straßenbeleuchtung bis zum Tourismus. Werden Sie die Aufgaben stärker konzentrieren?

Darüber wollen wir uns jetzt bei der Versammlung auf Kreta intensiv auszutauschen. Die DGV wäre damit überfordert, alles zu machen. Wir müssen uns konzentrieren. Ich will da nichts vorweg nehmen. Es werden aber Themen sein wie Tourismus, Landwirtschaft, Gesundheitswesen oder der digitale Wandel in den Kommunen.

Was bringen die mehr als 50 sogenannten Knowhow-Partnerschaften für die Arbeitsplätze in Griechenland?

Da kann man noch viel besser werden. Ich habe mir persönlich vorgenommen, genau diesen Bereich zu verstärken.

An welche Projekte denken Sie?

Ein Leuchtturmprojekt ist die Schweißer-Ausbildung, die wir auf Kreta ausgebaut haben. Da gibt es ein Fachzentrum rund um die Kammer in Heraklion. 2017 haben dort 100 griechische Schweißer ihre Abschlussprüfungen absolviert. Die Leute bekommen dann auch einen Job. Diese qualitativ hochwertige Ausbildung wollen wir verstärken. Wenn man so etwas ausbauen kann für ganz Griechenland, wäre das ein Riesenschritt. In weiteren Bereichen geht es um die Ausbildung von Köchen oder Hotelfachangestellten.

Ist Griechenland bald über den Berg?

Ich bin da zuversichtlich, dass Griechenland es schafft, über den Berg zu kommen. Wenn man den Primärüberschuss betrachtet, dann ist es so. Natürlich leiden sie noch unter einer großen Verschuldung – das muss über die Jahre hinweg erledigt werden. Aber wichtig ist, dass wir die Kräfte stärken, die Wachstum versprechen. Wir als DGV gehen zum Beispiel intensiv in den Bereich Wander- und Pilgertourismus hinein, auch um Probleme kurzer Saisonzeiten zu lösen. Wir wollen die Nischenprodukte beleben.

Ist es hilfreich für Ihre Arbeit, wenn Italien die Griechen als schwarzes Schaf der europäischen Finanzpolitik ablöst?

Dass uns Italien im europäischen Kontext eher Sorgen bereitet, soll für die DGV nicht von Schaden sein.