Die Freigabe weiterer Gelder ist in Gefahr – denn die Regierung ist mit wichtigen Reformen im Verzug. Mehr als zehn von 48 vorgegebenen Reformschritten sind noch nicht abgehakt.

Athen - Nach der Krise ist vor der Krise: Nachdem der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras bei den Europartnern neue Hilfsmilliarden lockermachte und Ende September von den Wählern unerwartet deutlich im Amt bestätigt wurde, schien das Land endlich ruhiges Fahrwasser erreicht zu haben. Aber jetzt hakt es schon wieder bei der Umsetzung der versprochenen Reformen. Die für diesen Montag erhoffte Freigabe einer weiteren Kreditrate ist in Gefahr.

 

Die Eurostaaten hatten für Griechenland im Sommer ein drittes Rettungspaket von bis zu 86 Milliarden Euro geschnürt. Davon wurden 13 Milliarden bereits ausgezahlt. Am Montag sollten die Euro-Finanzminister in Brüssel grünes Licht für weitere zwei Milliarden Euro geben. Eine für vergangenen Freitag geplante Telefonkonferenz der Euro-Arbeitsgruppe wurde allerdings bereits abgesagt, weil die Voraussetzungen für die Freigabe der Gelder nicht erfüllt sind. Zwar hat das griechische Parlament am vergangenen Freitag ein weiteres Reformpaket gebilligt. Mit dem Gesetz werden unter anderem Frühverrentungen eingeschränkt und Steuerprivilegien der Landwirte abgeschafft.

Ein Streitpunkt ist der Umgang mit Wohnungseigentümern

Auch bei den lange verschleppten Privatisierungen tut sich etwas. Das Kabinett billigte vergangene Woche die Vergabe von 14 griechischen Regionalflughäfen an den Flughafenbetreiber Fraport. Aber wichtige Punkte sind noch offen. Insgesamt sollte Griechenland als Vorleistung für die nächste Kreditrate 48 Reformschritte umsetzen. Mehr als zehn davon sind noch nicht abgehakt. Schwierigster Streitpunkt ist die Frage, wie die Regierung mit Wohnungseigentümern umgehen will, die ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Rund 300 000 Immobilienkredite sind gefährdet. Bis jetzt sind die säumigen Zahler vor Zwangsräumungen weitgehend geschützt. Die Vertreter der Geldgeber wollen diese Regelung lockern, da sie von vielen missbraucht wird, die zwar zahlen könnten, es aber im Vertrauen auf die Schutzklausel nicht tun. Tsipras hat dagegen versprochen, niemand werde seine Wohnung verlieren, wenn er seinen Kredit nicht abbezahlen kann.

Das Thema Zwangsräumungen ist nicht der einzige Streitpunkt. Es gibt weitere offene Fragen, wie die Mehrwertsteuer auf privaten Schulunterricht und Nachhilfestunden, die Apothekenpreise für Generika und die Einzelheiten einer Regelung, die es  säumigen Steuerzahlern erlaubt, ihre Schulden in bis zu 100 Monatsraten abzustottern. Am Wochenende wurde in Telefonkonferenzen zwischen Athen und den Vertretern der Geldgeber – der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des Euro-Rettungsfonds ESM – noch heftig um einen Kompromiss gerungen.

Griechische Regierung steht unter enormem Zeitdruck

Die Regierung steht unter großem Zeitdruck. Lässt die Kreditrate weiter auf sich warten, könnte es bald kritisch werden. Im Dezember muss Griechenland 1,4 Milliarden Euro an den IWF überweisen. Ohne die neue Finanzspritze wird das schwierig. Gibt es keine schnelle Einigung, gerät auch die laufende Rekapitalisierung der griechischen Banken in Gefahr. Wenn sie nicht bis zum Jahresende abgeschlossen ist, müssen Sparer an der Sanierung der Geldinstitute beteiligt werden. Aber selbst wenn es in letzter Minute in den offenen Fragen einen Kompromiss geben sollte und die Euro-Finanzminister die Kreditrate frei geben, kann die Athener Regierung nur kurz durchatmen. Die nächste Reformliste wartet bereits. Die Verhandlungen darüber sollen diese Woche beginnen.