Als Gegenleistung für das Hilfspaket muss Athen Hunderte von Reformen beschließen. Unter anderem sind der Gesundheitssektor und der öffentliche Dienst Sparmaßnahmen.

Brüssel - Bis tief in die Nacht haben die 17 Finanzminister der Eurozone und der Internationale Währungsfonds darum gerungen, wie die 33,6 Milliarden Euro große Finanzierungslücke eines verlängertes Griechenland-Hilfsprogramms gestopft werden kann. Daran und an der langfristig gesicherten Tragfähigkeit des Schuldenbergs hängt die Auszahlung der nächsten Tranche, ohne die Athen noch Ende des Monats zahlungsunfähig wäre. Die EU-Minister wollten dies in ihrer Sitzung am Mittwoch mit neuen Zusagen abwenden. Was Griechenland bis 2016 leisten muss, wenn das Hilfsprogramm auslaufen soll, stand dagegen schon vorher fest.

 

Sage und schreibe 259 Reformvorhaben enthält der letzte Entwurf des neu ausgearbeiteten „Memorandum of Understanding“, das die politischen Bedingungen der internationalen Geldgeber Griechenlands enthält. Diese Absichtserklärung, die von der griechischen Regierung unterzeichnet werden muss, legt detailliert deren Aufgaben für die nächsten vier Jahre fest. Jedes abweichende Votum des Parlaments in Athen kommt damit einem Bruch der Vereinbarung gleich und gefährdet die Auszahlung der nächsten Hilfsmilliarden.

Zumal das Memorandum kaum sprachliche Zweideutigkeiten enthält, die den griechischen Abgeordneten einen Gestaltungsraum ließen. Ein Beispiel dafür ist die Steuerpolitik, da ein genauer Zeitplan festgelegt und vom Parlament Zustimmung verlangt ist. „Diese Reform 2012 wird verabschiedet werden und 2013 inkrafttreten“, heißt es in der Erklärung, die zudem inhaltliche Vorgaben macht; so soll das Gesetz Unternehmens- wie Einkommensteuern umfassen und Schlupflöcher schließen, um die Zahl der Griechen zu erhöhen, die Steuern zahlen. Bisher liegt ein Großteil der Last bei Kleinverdienern.

Troika-Beschlüsse treffen Gesundheitssektor

Jenseits bereits beschlossener Spar- und Reformschritte zielt die Absichtserklärung auf einen weiteren Umbau der griechischen Gesellschaft. Der Gesundheitssektor etwa soll bis Ende nächsten Jahres mit fast einem Fünftel weniger Ärzten auskommen. Ausnahmen von der privaten Zuzahlung für Medikamente, die künftig verpflichtend elektronisch verschrieben werden müssen, werden auf ein Minimum reduziert. Zugleich schreibt die Troika aus Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Währungsfonds vor, dass der Anteil der Nachahmerpräparate, der sogenannten Generika, bis Ende 2013 auf 60 Prozent steigen muss, um Kosten zu sparen. Die Zahl der Krankenhausbetten wird „erheblich reduziert“. Ganz konkret betreffen die Beschlüsse auch die Angestellten des öffentlichen Dienstes: Bis 2015 werden in der Verwaltung 150 000 Stellen gestrichen. Im nächsten Jahr bereits sollen 25 000 Regierungsangestellte von einer Beschäftigungsgesellschaft übernommen werden – „die Hälfte davon bis zur Jahresmitte“, wie das Memorandum detailgenau festlegt. Dort erhalten die Mitarbeiter ein geringeres Gehalt, werden im Gegenzug aber fortgebildet. Länger als ein Jahr jedoch darf keiner der Beschäftigten in der Auffanggesellschaft bleiben.

Viele Mitarbeiter, die bleiben, dürften bald neue Chefs bekommen – denn die Troika hält an der schon einmal unrealistischen Forderung fest, dass zum Schuldenabbau ein Privatisierungserlös von insgesamt 50 Milliarden Euro erzielt werden muss – „selbst wenn der Verkauf länger dauert als die Laufzeit des Hilfsprogramms“, wie die Verfasser nun schreiben. Kandidaten sind unter anderem weiterhin die Flug- und Seehäfen sowie die staatliche Lotteriegesellschaft. Vorher soll die griechische Regierung alles deregulieren, was die privaten Stimmrechte von Investoren nach einem Kauf einschränken könnte. Die Privatisierungserlöse werden auf Drängen der Bundesregierung auf ein Sperrkonto überwiesen. Das Geld darf ausschließlich zur Schuldentilgung verwendet werden.

Weitere in dem Memorandum angekündigte Reformen widmen sich dem Kampf gegen Geldwäsche und Korruption. So dürfen Steuern künftig nicht mehr bar oder mit Schecks bezahlt werden, sondern nur noch durch Banküberweisungen. Die Geldinstitute erhalten neue Aufsichtsstrukturen; jene, bei denen auch eine Rekapitalisierung nichts mehr bringen würde, sollen möglichst bald abgewickelt werden.

Die vielleicht radikalste Reform besteht jedoch darin, dass selbst ein Nein des Parlaments den Sparkurs nicht mehr soll aufhalten können. „Die Regierung wird jenseits von Lohn-, Renten- und Arbeitslosenzahlungen automatische Ausgabenkürzungen festsetzen“, heißt es im Entwurf der Erklärung, „wenn Ziele aufgrund nichtkonjunktureller Ursachen verfehlt werden.“