Das rigide Sparpaket muss laut der Europäischen Union mit der neuen Regierung in Athen noch einmal verhandelt werden. Die Vereinbarungen nicht zu ändern würde bedeuten, sich einer Illusion hinzugeben, sagte ein Diplomat in Brüssel.

Nachrichtenzentrale: Andreas Schröder (sö)

Athen - Das Hilfspaket für Griechenland muss nach Einschätzung eines hochrangigen Vertreters der Eurozone überarbeitet werden. Alles andere sei „wahnwitzig“. Die Vereinbarungen mit dem Land nicht zu ändern würde bedeuten, sich einer Illusion hinzugeben, sagte der Diplomat in Brüssel.

 

Die wirtschaftliche Lage in Griechenland habe sich deutlich schlechter entwickelt als erwartet, sagte er zur Begründung. Die EU-Kommission erwartet, dass die Wirtschaftsleistung 2012 um knapp fünf Prozent sinken wird; 2011 betrug der Rückgang knapp sieben Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund 25 Prozent. Griechenland liegt nach Angaben des Diplomaten zudem bei den Reformen nicht im Zeitplan, den die alte Regierung mit der Europäischen Union und den anderen Geldgebern vereinbart habe. Dies hänge sicher auch mit der zeitlichen Verzögerung durch die erneuten Parlamentswahlen zusammen. Bei den Privatisierungen beispielsweise sei Athen erheblich im Rückstand. „Griechenland ist komplett aus der Spur geraten“, sagte der hochrangige EU-Vertreter.

Die Bedingungen für neue Milliardenhilfen müssten deshalb mit der kommenden Regierung in Athen neu verhandelt werden. Die Vereinbarung, die Griechenland frisches Geld gegen Auflagen zusichert, sei rechtlich innerhalb einer normalen Überprüfung änderbar, erläuterte der Diplomat. Um Griechenland zu unterstützen, sei eine Streckung der Kreditlaufzeiten sinnvoll; zumindest diese Maßnahme wird auch von einigen europäischen Spitzenpolitikern erwogen. Die Verlängerung von Fristen einfach abzulehnen „wäre bürokratisch“, sagte er. Die Bundesregierung hatte bisher öffentlich eine harte Haltung vertreten und jegliche Änderungen an den Vereinbarungen mit Griechenland abgelehnt. Nun betonte beispielsweise FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, dass es „bei den Zeitvorgaben für die Umsetzung von einzelnen Reformen noch sinnvolle Änderungen geben mag“. Eine mögliche Modifizierung der Vereinbarungen mit Griechenland, zu denen laut EU-Diplomat auch Steuererhöhungen oder weitere Kürzungen gehören könnten, soll noch im Sommer beschlossen werden.

Kein weiteres Geld von der EU

Die zentralen Vereinbarungen seien allerdings nicht verhandelbar, bekräftigte der EU-Diplomat: Griechenland werde erst dann weiteres Geld von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) erhalten, wenn die neue Regierung die Einhaltung von Sparzusagen schriftlich zusichere. Die nächste Tranche beläuft sich auf gut 31 Milliarden Euro. Griechenland hatte im Februar 130 Milliarden Euro erhalten, zuvor flossen bereits 110 Milliarden Euro nach Athen. Das Land verpflichtete sich im Gegenzug dazu, seine Staatsverschuldung bis 2020 zumindest auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken; erlaubt sind 60 Prozent. Neben dem Schuldenabbau soll das Land durch Reformen und Wachstumsprogramme gestärkt werden.

Mit dem Abschluss der Regierungsbildung in Athen wird in Brüssel im Laufe der Woche gerechnet. Die Troika aus EU, EZB und IWF will die Verhandlungen mit Athen fortsetzen, sobald die neue Regierung im Amt ist. Brüsseler Diplomaten gehen davon aus, dass der neue griechische Finanzminister zum Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag und Freitag in Luxemburg kommt. Bei dem Treffen wird auch IWF-Chefin Christine Lagarde erwartet, wenn die Lage Griechenlands nach der Wahl erörtert wird. Bei ihr rechnet man mit einer harten Haltung.