Die beleidigte Leberwurst sei kein Prinzip der Politik, meint Finanzminister Schäuble. Trotzdem will er an der Konstruktion der Troika nicht rütteln lassen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - All zu oft kommt es auch unter den Bedingungen der großen Koalition nicht vor, dass man aus den Worten des SPD-Haushaltspolitikers Johannes Kahrs die Stimme der Kanzlerin herauszuhören meint. Aber bei der Frage, wie es nach dem Machtwechsel in Athen mit der EU-Rettungspolitik weitergeht, ist Kahrs Rhetorik kaum weniger abwägend und vorsichtig als die von Angela Merkel. „Für uns muss die Devise gelten: In der Ruhe liegt die Kraft“, sagte Kahrs am Dienstag auf die Frage der Stuttgarter Zeitung, wie es mit Griechenland und der Troika weiter gehen soll. „Bisher wirft die griechische Regierung Steine ins Wasser und beobachtet den Wellenschlag. Das sind noch keine Vorschläge. Wir müssen abwarten, bis sie konkrete Vorschläge auf dem Tisch legen.“ Die Bundeskanzlerin, die beim Besuch von Singapurs Premierministers Lee Hisien-Loon an diesem Dienstag nach der weiteren Griechenland-Politik befragt wurde, bekannte sich zum Abwarten. „Ich möchte jetzt nicht alles kommentieren“, sagte Merkel. Die Regierung in Athen arbeite noch an ihrer Position, was nach wenigen Tagen im Amt verständlich sei. Es gelte, auf Vorschläge zu warten.

 

Schwarz-Rot versucht sich an einer Gratwanderung

Tatsächlich hat die Regierung Tsipras direkt nach ihrem Wahlsieg die Zusammenarbeit mit der Troika als Kontrollorgan der EU-Rettungspolitik aufgekündigt. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wird nachgesagt, diesem Plan nicht abgeneigt zu sein, da er dem Kontrollorgan sowieso „keine glänzende Zukunft“ zubillige. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin ist ebenfalls offen für neue Instrumente mit neuen Namen. In Berlin versuchen die Koalition und die Bundesregierung eine Gratwanderung: Man will sich von den harschen Tönen aus Athen nicht provozieren lassen, bisherige Kernpositionen aufrecht erhalten und zugleich Kooperationsbereitschaft gegenüber der neuen Regierung in Athen zeigen.

„Das Prinzip der beleidigten Leberwurst ist keines für die internationale Politik“, hat deshalb Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem TV-Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters erklärt und zugleich Verständnis dafür erkennen lassen, dass der Begriff „Troika“ für viele Griechen wegen seiner „negativen symbolischen Wirkung“ ein Reizwort geworden sei. Ob seine Kompromissbereitschaft in Bezug auf eine mögliche Modifikation der Troika viel weiter reicht als zu namentlicher Kosmetik, bleibt allerdings vorerst offen. An der Rolle von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds – den drei Institutionen, die die Troika tragen – ist für Schäuble jedenfalls nicht zu rütteln. „Die Beteiligung der drei Institutionen, die zusammen mit der Regierung eines Programmlandes die Einzelheiten aushandeln, ist Bestandteil der europäischen Verträge – die kann man nicht ändern“, betont er.

„Die Troika muss weiter ihre Arbeit machen“

Dabei hat Schäuble nicht nur die Rückendeckung der Kanzlerin, sondern auch der beiden Koalitionsfraktionen. „Es gibt keine Bereitschaft, an den wechselseitigen Beziehungen etwas zu ändern“, erklärte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. „Die Troika muss weiter ihre Arbeit machen können.“ SPD-Mann Kahrs konstatiert eine große Einigkeit in Koalition und Regierung: „Natürlich haben die Geldgeber ein Recht zu sagen, wie mit den Hilfsprogrammen umgegangen wird.“

In Berlin will man abwarten, bis die vielen Forderungen und Interviews, die die Regierung Tsipras seit dem Machtwechsel von sich gegeben hat, in formale Vorschläge münden. Noch sei offen, wie das derzeit laufende zweite Hilfsprogramm für Griechenland abgeschlossen werde; erst danach könne man über ein mögliches drittes Paket entscheiden, heißt es. Noch will man sich in Berlin nicht festlegen, ob Klarheit über Griechenlands neuen Kurs schon beim Europäischen Rat in der kommenden oder erst beim Treffen der Eurogruppe in der übernächsten Woche zu erwarten ist. Gleichwohl: Die Nebel werden sich wohl schon etwas früher lichten: Schäubles neuer griechischer Kollege Yanis Varoufakis kommt am Donnerstag zum Antrittsbesuch nach Berlin.