Der griechische Premier Alexis Tsipras braucht schnelle Erfolge, um in der Wählergunst wieder zu gewinnen. Doch Deutschland legt sich quer.

Athen - Der griechische Premierminister Alexis Tsipras steht vor einem heißen Herbst. Der immer wieder beschworene Wirtschaftsaufschwung lässt weiter auf sich warten. Auf die Bevölkerung kommen neue Steuererhöhungen und Rentenkürzungen zu. Im September beginnen schwierige Verhandlungen über die Freigabe weiterer Hilfskredite. Dazu muss Athen zahlreiche Vorgaben umsetzen, vor allem die unpopuläre Arbeitsmarktreform, die im regierenden Linksbündnis Syriza auf erbitterten Widerstand stößt.

 

Tsipras braucht dringend einen Erfolg, um die bitteren Pillen zu versüßen – am besten eine Lockerung der Sparvorgaben und Schuldenerleichterungen, wie er sie seit seinem Amtsantritt Anfang 2015 fordert. Zur Diskussion stehen längere Laufzeiten für die Hilfskredite, niedrigere Zinsen und mehr tilgungsfreie Jahre. Aber vor allem Deutschland legt sich bisher quer. Das Thema ist in den Unionsparteien nicht populär.

Tsipras macht Druck auf Berlin

Über Schuldenerleichterungen und gelockerte fiskalische Vorgaben für Griechenland will Kanzlerin Angela Merkel nicht vor der Bundestagswahl 2017 mit sich reden lassen. Für Tsipras könnte das allerdings zu spät sein. In den Meinungsumfragen liegt seine Syriza bereits acht bis zehn Prozentpunkte hinter der konservativen Opposition. Tsipras macht deshalb Druck auf Berlin. Vergangene Woche erinnerte der Premier in der westgriechischen Ortschaft Kommeno anlässlich des 73. Jahrestages eines Massakers der deutschen Wehrmacht, dem 317 Zivilisten zum Opfer fielen, an die Forderung nach Reparationen.

Es geht, nach griechischen Berechnungen, um bis zu 332 Milliarden Euro. Deutschland müsse endlich an den Verhandlungstisch kommen und über Schadenersatz sprechen, so der Premier bei der Gedenkfeier. Das war keine Pflichtübung, sondern der Beginn einer Kampagne, wie sich inzwischen zeigt. Parlamentspräsident Nikos Voutsis, ein enger Tsipras-Vertrauter, der in alle wichtigen Entscheidungen der Regierung eingebunden ist, verlieh jetzt der Forderung Nachdruck. Die Weigerung der Bundesregierung, über Reparationen zu verhandeln, bezeichnet Voutsis als „Zynismus“. Die Haltung Berlins „vergifte“ die Beziehungen zwischen beiden  Ländern. Auch Vize-Außenminister Nikos Xydakis meldete sich zu Wort und unterstrich, die Regierung Tsipras werde „alles nötige tun“, um die Reparationsforderungen einzutreiben, auf diplomatischer Ebene, aber „auch auf dem Rechtsweg“. Xydakis spielte damit offenbar auf Pläne zur Beschlagnahme deutscher Liegenschaften in Griechenland an, wie man sie in Athen bereits im März 2015 erwogen hatte.

Deutsches Eigentum pfänden

Tsipras‘ Justizminister Nikos Paraskevopoulos erklärte damals, er sei bereit, die Pfändung deutschen Eigentums zu genehmigen. Der Areopag,  Griechenlands Oberster Gerichtshof, hatte schon 2000 geurteilt, Griechenland dürfe deutsches Eigentum beschlagnahmen, um Kriegsopfer zu entschädigen. Infrage dafür kommen das Goethe-Institut in Athen, die deutschen Schulen in Athen und Thessaloniki und das Deutsche Archäologische Institut.

Alternativen zum Sparkurs

Aber auch diplomatisch macht Tsipras Druck: Für den 9. September hat er die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Italiens, Spaniens, Portugals, Maltas und Zyperns zu einem Gipfeltreffen eingeladen. Tsipras will mit seinen Kollegen über Alternativen zum  Sparkurs sprechen, der seinem Land seit über sechs Jahren aufgezwungen wird. In Athener Regierungskreisen betont man zwar, das Treffen sei „gegen niemanden gerichtet“. Die Initiative erinnert aber an Tsipras‘ Bemühungen im Frühjahr 2015, eine Allianz der Südstaaten gegen den EU-Norden zu schmieden. Der Plan schlug damals allerdings fehl, weil sich die Premierminister der anderen Mittelmeerländer nicht von Tsipras einspannen lassen wollten.

Rücksicht auf deutsch-französische Beziehungen

Auch Francois Hollande blieb auf Distanz, mit Rücksicht auf die deutsch-französischen Beziehungen. Tsipras musste erkennen, dass sein Konfrontationskurs gegenüber Deutschland die Fronten nur weiter verhärtete, gab seine Pläne schließlich auf und kapitulierte vor den Kreditgebern. Wenn er jetzt die damals gescheiterte Strategie wieder aufgreift, dann wohl in erster Linie aus innenpolitischen Gründen: Mit der Kampagne zu den Reparationsforderungen will sich Tsipras vor allem beim einflussreichen anti-deutschen Flügel der eigenen Partei und beim linken Spektrum der griechischen Wählerschaft in ein besseres Licht rücken – auch wenn er wissen muss, dass Berlin über das Thema nicht mit sich reden lässt.

Als Gastgeber des Südstaaten-Gipfels hofft Tsipras, in der griechischen Öffentlichkeit sein Image als Staatsmann zu polieren und seine Umfragewerte aufzubessern – auch wenn bei dem Treffen letztlich wenig herauskommen dürfte. Denn die wichtigen Entscheidungen fallen nun mal im Europäischen Rat. Und zwar selten gegen Merkel, sondern meist mit ihr.

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