Der Bundestag entscheidet über ein neues Milliardenpaket. Doch die Regierung sagt nur die halbe Wahrheit. Athen ist noch lange nicht gerettet.

Berlin - Wieder einmal entscheidet das Parlament darüber, wie die Finanzlöcher in Griechenland gestopft werden. Wir setzen uns im Folgen mit den Argumenten von Befürworter und Gegnern der Hilfe auseinander.

 

„Darüber hinaus kosten die Hilfen für Griechenland den deutschen Steuerzahler nichts.“ Finanzminister Schäuble

Schäubles Aussage führt in die Irre. Natürlich muss der deutsche Steuerzahler weiter bluten – dies ergibt sich schon aus den hohen Risiken. Bisher zahlten die Eurostaaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) Kredite über 147 Milliarden Euro an Griechenland aus. Noch nicht enthalten ist darin der Beitrag der Europäischen Zentralbank (EZB), die in erheblichem Umfang griechische Anleihen erwarb. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kann höchstens behaupten, dass Zahlungen an Griechenland aus den bisherigen Hilfsprogrammen aufgebracht werden. Die Euroländer stunden Zinsen und Tilgungszahlungen und verschaffen Griechenland mehr Zeit. Schäuble war immerhin so ehrlich zu sagen, dass zum ersten Mal direkt Geld aus dem Bundeshaushalt für Griechenland fließt. Bisher bestand das Rettungsprogramm aus Krediten. Nun werden die Gewinne der Europäischen Zentralbank aus den Stützungskäufen griechischer Anleihen, die den einzelnen Eurostaaten zustehen, an Griechenland weitergeleitet. Das belastet den Bundesetat allein im nächsten Jahr mit 600 Millionen Euro. Weil Griechenland einen Zinsnachlass erhält, macht außerdem die bundeseigene KfW-Bank im nächsten Jahr rund 130 Millionen Euro weniger Gewinn. Über die KfW wickelte die Bundesregierung das erste Hilfsprogramm für Griechenland ab. Dem Staat gehen im nächsten Jahr also 730 Millionen Euro verloren. Das wird nicht der letzte Beitrag der Steuerzahler bleiben.

„Griechenland hat die Forderungen der Geldgeber überhaupt nicht erfüllt.“ Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn

Das ist nicht richtig. Die griechische Regierung hat seit 2009 das gesamtstaatliche Defizit um 22 Milliarden Euro auf nunmehr 13 Milliarden Euro reduziert. Die Defizitquote sank trotz jahrelanger Rezession von 15 auf neun Prozent. Athen verpflichtet sich außerdem, die Rente mit 67 Jahren einzuführen. Die Gesundheitsausgaben des griechischen Staates werden auf sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt. Im Rückstand liegt Griechenland allerdings bei den Privatisierungen. Insgesamt sind erste Fortschritte erkennbar.

„Mit diesen Maßnahmen kann Griechenland selbst für nachhaltiges Wachstum sorgen.“Finanzminister Wolfgang Schäuble

Damit beschönigt der Finanzminister die Lage. Die Änderungen am Hilfsprogramm, die der Bundestag heute beschließen will, dürften für ein nachhaltiges Wachstum in Griechenland nicht ausreichen. Die weiteren Zugeständnisse der Gläubiger führen im günstigen Fall dazu, dass Athen bis 2014 über die Runden kommt. Schon bei der Finanzierung von 2014 bis 2016 klaffen im bestehenden Hilfsprogramm Lücken in Milliardenhöhe. Auch kurzfristig könnten neue Löcher entstehen. Griechenland soll mit Hilfe der Eurostaaten Anleihen von privaten Schuldnern zu niedrigen Kursen zurückkaufen. Private Gläubiger halten noch Griechenanleihen im Volumen von 62 Milliarden Euro. Zurzeit werden diese Wertpapiere zu 30 Prozent des Nominalwerts gehandelt. Athen will die Anleihen mit 70-prozentigem Abschlag zurückkaufen und seine Schuldenlast senken. In welchem Umfang die Anleger darauf eingehen, ist völlig offen.

„Ein Schuldenschnitt auf öffentliche Forderungen ist wahrscheinlich.“ SPD-Fraktionsvorsitzender Steinmeier

Offiziell will die Eurogruppe von einem Schuldenverzicht der öffentlichen Gläubiger nichts wissen. In den Hilfsprogrammen klaffen aber Lücken. Minister Schäuble musste bereits einräumen, dass „weitere Maßnahmen“ erforderlich sind, um die Ziele des Programms zu erreichen. Was darunter zu verstehen ist, ließ er offen. Die Eurogruppe will darüber erst verhandeln, wenn Griechenland einen Primärüberschuss, das heißt einen Etatüberschuss ohne die Berücksichtigung von Zinsen und Tilgungen ausweist. Ein Schuldenschnitt für öffentliche Gläubiger nach der Bundestagswahl 2013 ist somit wahrscheinlicher geworden. Vieles spricht für die Deutung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier, der darauf hinwies, dass ein Schuldenerlass im Programm angelegt ist. Nur durch einen Verzicht von Staaten und Zentralbanken kann Griechenland auf Dauer seine Schuldenlast senken.

„Die Lasten der Eurorettung zahlen künftige Generationen.“ Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn

Das ist uneingeschränkt richtig. Ursprünglich wollten die Euroländer hohe Zinsen verlangen, um Schuldnerstaaten abzuschrecken. Davon rückte die Eurozone wieder ab. Künftig soll Athen weniger als ein Prozent Zins für Kredite bezahlen. Trotz des Entgegenkommens werden die Zinsen auch noch gestundet. Damit werden Belastungen in die Zukunft verschoben.