Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Schutzimpfung gegen Grippe neu organisieren, stößt aber auf Widerstand.

Berlin - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat ein ausgeprägtes Talent, mit kleinen Bemerkungen große Debatten auszulösen. Auf einem Apothekertag in Münster hatte er am Wochenende die Idee entwickelt, dass Patienten in Zukunft in Apotheken gegen Grippe geimpft werden könnten. Wenn Ärzte auf volle Wartezimmer hinwiesen, könne das eine Möglichkeit sein, sie zu entlasten, hatte Spahn gesagt.

 

Die Ärzteschaft ist darüber alles andere als erfreut. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, lehnte im Gespräch mit unserer Zeitung den Vorstoß rundweg ab. Er nannte es „kontraproduktiv, das hohe Qualitätsniveau von Impfleistungen in Deutschland zu senken und das Impfrecht neben Ärzten auch auf andere Professionen aus dem Gesundheitswesen zu übertragen“. Impfen sei „aus gutem Grund nach den geltenden Gesetzen eine urärztliche Aufgabe“. Es gehe nicht um den Stich allein. Vielmehr gehörten zu den ärztlichen Impfleistungen auch die Impfanamnese, der Ausschluss akuter Erkrankungen und die Aufklärung zur Impfung.

Am Mittwoch positionierte sich der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Norbert Metke, massiv gegen den Plan des Ministers. Metke sieht einen Trend, bei dem Ärzte durch nicht-ärztliche Berufe substituiert würden. Er verwies darauf, dass Apotheker in ihrer Ausbildung kaum Kenntnisse in Krankheitslehre erwerben würden. Eine Impfung könne aber Komplikationen nach sich ziehen. Auf der Vertreterversammlung der KVBW sagte er: „Die Ärzte werden so zu akademischen Zweithelfern für Komplikationen nicht-ärztlicher Berufe.“

Auch Wolfgang Miller, der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, ist gegen Spahns Vorschlag. Miller sagte unserer Zeitung, die Begründung, es könnten auf diese Weise Wartezeiten verkürzt werden, gehe „an der Realität vorbei“. Der Zugang zur Impfung sei „völlig problemlos“. Verzögerungen bei der Grippeschutzimpfung in den letzten Jahren seien allenfalls durch Lieferverzögerungen der Impfstoffe verursacht gewesen, „keinesfalls durch mangelnde Vorsorgetermine“. Nach Informationen unserer Zeitung werden sich Metke und Miller gemeinsam in einem Brief an den Minister wenden.

Spahns Idee stößt auch bei der Apothekerschaft nicht unbedingt auf Euphorie. Beim Apothekerverband Baden-Württemberg lässt man keinen Zweifel daran, dass Apotheker das Können für die Impfung besäßen. Der Verband verweist darauf, dass in vielen Ländern, etwa Großbritannien, Schweiz oder Kanada, Apotheker gegen Grippe impfen und sich die Impfrate so erhöht habe. Dennoch bleibt die Reaktion verhalten. „Wenn Ärzte und Politik das wollen, stehen wir bereit“, sagt Frank Eickmann, Sprecher des Verbandes. Dazu brauche man aber unbedingt „den Konsens mit der Ärzteschaft“. Tatsächlich gibt es im Verhältnis von Ärzten und Apothekerschaft derzeit einige Reizthemen. Gut möglich, dass die Apotheker befürchten, im Gegenzug könnten die Ärzte erneut eine Debatte über das Dispensierrecht intensivieren. Zuletzt hatte der Hausärzteverband das Recht für Landärzte gefordert, unter bestimmten Umständen Medikamente direkt an Patienten abgeben zu dürfen.