Rund ein Viertel der fünfjährigen Kinder hinkt der grobmotorischen Entwicklung hinterher. In Vaihingen sind es 28,5 Prozent, in Möhringen 23,1 Prozent. Ursache ist oft mangelnde Bewegung. Dieses grobmotorische Defizit kann weitere Entwicklungsverzögerungen mit sich führen.

Filder - Auf einem Bein quer durch den Raum hüpfen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Eigentlich kinderleicht, oder nicht? Für einige Kinder stellt aber genau das ein Problem dar. Das hat das Gesundheitsamt herausgefunden. Das Amt erfasst jährlich die Daten aus den Einschulungsuntersuchungen, die im Kindergartenalter durchgeführt werden. Von den Kindern, die 2014 in der Landeshauptstadt eingeschult wurden, wiesen durchschnittlich 28,5 Prozent einen grobmotorischen Entwicklungsstand auf, der nicht altersentsprechend war. Dem Sozialmonitoring, das die Ergebnisse der Untersuchungen des Gesundheitsamts zusammenfasst, ist zu entnehmen, dass dieser Umstand durch eine „standardisierte Untersuchung“ festgestellt wurde – dem Hüpfen auf einem Bein. Demnach hatten mehr als ein Viertel der Kinder in Stuttgart Probleme damit, diese Aufgabe zu erfüllen. In Vaihingen waren es wie im stadtweiten Durchschnitt 28,5 Prozent, Möhringen stand in dieser Untersuchung besser da. Dort war der grobmotorische Entwicklungsstand bei 23,1 Prozent der Kinder nicht altersentsprechend. Damit liegen Vaihingen und Möhringen im Mittelfeld. Spitzenreiter der Untersuchung waren die Kinder aus Botnang, wo nur 14 Prozent der Fünfjährigen einen nicht-altersentsprechenden Entwicklungsstand aufwiesen, und Sillenbuch mit 16,2 Prozent. Anders sieht es am Neckar aus: in Bad Cannstatt konnten 37,8 Prozent der Kinder bei der Einschulungsuntersuchung nicht ihrem Alter entsprechend auf einem Bein hüpfen, in Obertürkheim waren es sogar 42,5 Prozent.

 

Grobmotorische Defizite können Entwicklung ausbremsen

Beunruhigend sei die Situation laut Gesundheitsamt allerdings nicht. Bereits vor zehn Jahren seien die Durchschnittszahlen ähnlich gewesen. „Auch die Zahlen für ganz Baden-Württemberg sind ungefähr so hoch“, sagt Jodok Erb vom Gesundheitsamt. Es spielt also scheinbar keine Rolle, ob die Kinder in der Stadt oder in ländlichen Regionen aufwachsen. Grobmotorische Defizite können die weitere Entwicklung der Kinder ausbremsen, sagt Erb. „Sie haben Probleme bei der Koordination und sind häufig in der Mobilität eingeschränkt“, sagt er.

Warum rund ein Viertel der Kinder in Stuttgart der grobmotorischen Entwicklung hinterherhinkt, kann das Gesundheitsamt nicht genau sagen. Es könnte allerdings mit dem Lebensstil zu tun haben. „Es gibt einen Zusammenhang zwischen Übergewicht bei Kindern und Schwierigkeiten bei der grobmotorischen Entwicklung“, so Erb.

Sport kann helfen, Defizite aufzuholen

Die Eltern, deren Kinder bei der Einschulungsuntersuchung die Aufgabe nicht bewältigen können, bekommen von dem anwesenden Mitarbeiter des Gesundheitsamt ein Schreiben mit, in dem ihnen empfohlen wird, den Hausarzt aufzusuchen. Der soll den Kindern mehr Bewegung und Sport verordnen. Dadurch kann die rückständige Entwicklung in einigen Fällen aufgeholt werden.

Cordelia Fischer, die Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendgesundheit beim Gesundheitsamt, betont, dass die Daten zur Anzahl der grobmotorischen Auffälligkeiten wenig über die etwaige Ursache aussagen. „Wir machen eine Screening-Untersuchung mit den Fünfjährigen, die zeigt nur, wer was nicht kann und nicht, warum er es nicht kann.“ Manche Kinder könnten bei den Untersuchungen schlichtweg keine Lust haben, vor Fremden auf einem Bein zu hüpfen. „Das können unsere Mitarbeiter natürlich erkennen, deshalb bekommen auch nicht alle einen Brief mit, der den Eltern rät, mit den Kindern zum Arzt zu gehen“, sagt Fischer. Aussagen über die Lebensbedingungen der Kinder könnten aus den Daten nicht hergeleitet werden. Fischer hält auch nichts von einer Schuldzuweisung an die Eltern. „Sicher, früher war es normal, dass Kinder auf Bäume geklettert sind. Heute schicken viele den Nachwuchs zu Sportangeboten. Das gleicht sich wieder aus.“ Fischer kennt auch die Klagen von Erziehern und Lehrern über die nachlassenden Fähigkeiten von Kindern. „Der Eindruck einer Verschlechterung kann entstehen. Wir können ihn aber nicht verifizieren“, sagt sie.

Mangelnde Bewegung ist oft die Ursache

Ebenso hat Benjamin Decker, Leiter des Kinderhauses Steppkes in der Curiestraße in Vaihingen, keine gestiegene Verschlechterung des grobmotorischen Entwicklungsstands im Kindergartenalltag beobachtet. „Wir erfassen von jedem unserer Kinder den Entwicklungsstand. Es gibt immer mal wieder welche, die hinterherhinken, aber das sind nicht mehr als in den vorherigen Jahren“, sagt der Pädagoge. Liegt ein Kind in der grobmotorischen Entwicklung zurück und das bessert sich auch nach einiger Zeit im Kinderhaus nicht, werden die Eltern informiert. „Bei einer Entwicklungsverzögerung, die nicht aufgrund einer Krankheit vorliegt, ist meist mangelnde Bewegung die Ursache“, sagt Decker. „Wir empfehlen dann den Eltern, mehr mit ihren Kindern zu spielen, sich gemeinsam zu bewegen, auf Spielplätze zu gehen. Das alles fördert die Entwicklung.“ In den meisten Fällen könnten die Kinder den Entwicklungsrückstand so ganz ohne Therapie aufholen.