Kathrin Kardos und Sven Kloppert aus Heimsheim gehen in Europas wohl größtem Wohnmobil auf Reisen: Der komplett umgebaute Edel-Omnibus sprengt alle Dimensionen. Das Haus auf sechs Rädern ist für die beiden mehr als ein Zuhause.
Vor der Haustür fläzt Hund Shakira im Schatten, Kinder spielen mit Sand und unter einer der beiden Markisen baumelt eine Hängematte. Nein, das ist keine Spießeridylle vor einem Reiheneckhaus, wenngleich die Dimensionen der Behausung in etwa die gleichen sind. Einziger Unterschied: Dieses Haus kann fahren. Es ist rot lackiert, war mal ein Luxus-Doppeldecker und gilt als Europas größtes Wohnmobil. Am Samstag war das rollende Wohn-Ungetüm zu Gast auf dem Caravan- und Vanlife-Meetup vor der Böblinger Motorworld, dem Szenetreff der Wohnmobilisten. Und überragte alles bisher gekannte.
„Ich wollte ein neues Wohnmobil für den Familienurlaub“, sagt Besitzer Sven Kloppert, der in kurzer Zimmermannshose vor seinem Prachtstück steht. Ein Mobil von der Stange kam für ihn nicht infrage. Er schaute sich daher auf dem Gebrauchtmarkt um, dachte zuerst an einen Lastwagen. „Doch der hat ja nur einen großen Anhänger und um da hoch zu kommen, brauchst Du erst einmal sieben Stufen“, sagt er. Also fiel seine Wahl im Frühjahr auf einen ausgemusterten Zweigeschosser der Marke Neoplan, Modell Skyliner. Ein Großprojekt ungekannten Ausmaßes nahm seinen Lauf.
Für ihn und seine Partnerin Kathrin Kardos ist der Bus mehr als ein Zuhause. Sie lernten sich vor gut einem Jahr kennen, nachdem beide gerade einen Schicksalsschlag zu verarbeiten hatten. Kardos’ Partner und Vater ihrer Kinder fiel in ein Wachkoma, nimmt seitdem nicht mehr am Leben teil. Auch Sven Kloppert hatte zuvor seine Frau verloren, nachdem sie überraschend schwer erkrankt war. „Ich habe Sven in dieser Zeit kennen gelernt und wir hatten beide ein so ähnliches Schicksal“, sagt die 39-Jährige, die in ihm einen Seelenverwandten erkannte. Der Bus wurde ihr Projekt.
Zunächst zur schieren Größe des mobilen Wohnkolosses: Mit seinen 13,45 Metern Länge bezeichnet Kloppert es als größtes Wohnmobil Europas, schließlich benötigte er eine Sondergenehmigung, um es als solches zulassen zu können. Im jetzigen Ausbau bringt es 34 Tonnen auf die Waage. Im Heck schiebt ein Zwölfzylinder-Diesel von MAN mit 640 Pferdestärken – und entsprechendem Durst. Kloppert: „Der schluckt schon mal 75 Liter auf 100 Kilometer, bei sparsamer Autobahnfahrt aber weniger.“ Deshalb fasst der Tank 1800 Liter und der Besuch an der Zapfsäule sollte finanziell geplant sein. All das schreckte Kloppert nicht.
8,5 Tonnen Ausstattung entfernt
„Ich habe dreieinhalb Monate lang von Montag bis Sonntag an dem Bus gearbeitet“, sagt der 39-Jährige. Nur unterbrochen von kurzen Schlafpausen hat er wie ein Besessener aus dem Luxusliner mit 102 Sitzen ein rollendes Familiendomizil gemacht – mit Wohnzimmer inklusive Flatscreen, Schlafzimmer inklusive LED-Sternenhimmel, Kinderzimmer inklusive Spielküche, Badezimmer inklusive Echtsteindusche, Küche inklusive Dunstabzug und Büro inklusive Drucker.
„Aus dem Innenraum habe ich 8,5 Tonnen Ausstattung rausgerissen, darunter acht Fernseher, zwei Kaffeevollautomaten und einen Hot-Dog-Wärmer“, sagt Zimmermann Kloppert, der von sich selbst sagt, auch noch Treppenbauer, Installateur, Gerüstbauer und Elektriker zu sein. Man nimmt es ihm ab, beim Blick ins Innere seines XXL-Campers: Von den 102 Sitzen sind nur noch fünf an Ort und Stelle, einer davon ist der Fahrersitz. Um darauf überhaupt sitzen zu dürfen, musste er erst noch den LKW-Führerschein machen. Nachdem der Bus entkernt war und einen neuen Boden erhalten hatte, macht er sich an den Innenausbau. Ins Erdgeschoss zimmert er Küche und Wohnzimmer, in den ersten Stock Kinderzimmer, Büro, Bade- und Schlafzimmer. „Wie viel Arbeit da drin steckt, verdeutlicht eine Zahl: Ich habe 150 Elektro-Fuchsschwanz-Sägeblätter gebraucht“, sagt er. Kein Brett gleicht dem anderen, jede Schranktür sägt er individuell zu, jeden Anschluss verlegt er neu. Denn das eigentlich Imposante ist die verbaute Technik, die man nicht sieht.
16,5 Kilometer Kabel verlegt
„Das Dach ist bepflastert mit Solarzellen, deren Strom speist Fahrzeugbatterien und Stromspeicher.“ Im Bus existieren vier Stromkreise: Mit 12, 24, 230 Volt und sogar Starkstrom. Insgesamt verlegt Kloppert 16,5 Kilometer Kabel. Das auch, weil der Musikfan eine Hi-Fi-Anlage der Sonderklasse verbaut mit mehreren Endstufen, Subwoofern, Mittel- und Hochtönern. Dazu noch Nebensächlichkeiten wie vier Rückfahrkameras und eine klimatisierte Hundebox. Außerdem vier Heizungsarten und komplexe Wasserkreisläufe für Spül- und Waschmaschine und natürlich Bad und Küche.
Bei all dem Überangebot an Platz und Ausstattung hat der Bus – klar – seine Nachteile. „Wegen der Abgaswerte belaufen sich allein die Mautkosten für einen Urlaub in Südeuropa auf über 1000 Euro“, sagt Kloppert. Die Suche nach einem Stellplatz sei diffizil und enge Wendemanöver unmöglich. „Ich trinke nie Alkohol beim Fahren, aber bevor ich mit dem Bus losfahre, brauche ich ein Bier“, sagt er. Der Koloss lenkt zusätzlich an der Hinterachse und schwenkt aus. Die Lenkerposition zwei Meter vor der Vorderachse habe ebenfalls ihre Tücken. Mit den Kindern auf Reisen zu gehen in diesem Wohn-Bus, das wurde das gemeinsame Projekt von Kathrin Kardos und Sven Kloppert. Und ein Weg, die Schicksalsschläge der Vergangenheit hinter sich zu lassen. In den Sommerferien geht es für fünf Wochen nach Kroatien. Eins ist sicher: Langweilig werden die sicher nicht.