Rund 100 neue Mitglieder hat die SPD im Kreis Böblingen gefunden, acht waren es in Heimsheim. Das tut der SPD gut, sagen die Lokalpolitiker. Die Reaktionen auf den Mitgliederentscheid sind unterschiedlich.

Leonberg - In Berlin hat der SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan das Ergebnis zur Groko-Abstimmung am Sonntagmorgen verkündet, vor Ort in der Region verfolgen die Mitglieder das Ergebnis gebannt. Ottmar Pfitzenmaier betrachtet es differenziert. „Für Europa ist es gut, dass Deutschland wieder eine stabile Regierung hat, für die SPD ist es wahrscheinlich nicht so gut“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende im Leonberger Stadtrat in einer ersten Reaktion. Vor allem von der Deutlichkeit des Ergebnisses ist er überrascht. 66 Prozent seiner Parteifreunde sind für eine erneute Große Koalition, das hätte Pfitzenmaier nicht gedacht. Vier weitere Jahre mit Angela Merkel an der Spitze, dafür kann er sich nicht begeistern. „Der Erneuerungsprozess in einer Regierung ist sehr schwierig.“

 

Ottmar Pfitzenmaier nennt den Mindestlohn als Beispiel. Den habe die SPD durchgesetzt. „Für die Öffentlichkeit stellt es sich aber so dar, dass Frau Merkel den Mindestlohn umgesetzt hat“, sagt er. Die SPD besetze nicht die falschen Themen, sondern verkaufe ihre Politik zu schlecht. Für den anstehenden Erneuerungsprozess heißt das: „Die SPD braucht neue Gesichter, die die Politik offensiver verkaufen“, ist der Fraktionschef überzeugt.

Acht neue Mitglieder in Heimsheim

Mit der Groko-Abstimmung geht eine lange Diskussion zu Ende. Nicht nur bundesweit, auch vor Ort hat das die Interessenten angezogen. Der Ortsverband Heimsheim, der auch für Friolzheim und Wimsheim zuständig ist, hat acht neue Mitglieder. Im Kreis Böblingen gab es 100 Neueintritte, davon sind ein Drittel im Juso-Alter.

Das freut den Juso-Kreisvorsitzenden Jan Hambach besonders. „Wir haben gezeigt, dass die SPD der Ort ist, wo gesellschaftlich relevante Themen diskutiert werden, das hat die Leute angezogen“, sagt Hambach, der auch stellvertretender Kreisvorsitzender der Mutterpartei ist. „Wir haben es geschafft, die Debatte wiederzubeleben.“ Daran habe vor allem die No-Groko-Kampagne der Jusos ihren Anteil, ohne sie wäre nicht so intensiv diskutiert worden, ist der Renninger überzeugt.

Jan Hambach, hat selbst gegen die Große Koalition gestimmt, kann das Ergebnis aber verstehen. „Viele Leute sagen nach dieser langen Zeit seit der Bundestagswahl: Jetzt brauchen wieder eine Regierung“, sagt er. In dieser Regierung müsse die SPD aber professioneller agieren, hofft Jan Hambach. „Trotz Regierung muss die Partei eine eigenständige Meinung haben und diese zeigen, da setze ich auf Andrea Nahles“, sagt der Juso-Kreischef. Auch den Themen der jüngeren Leute müsse man mehr Gewicht einräumen, zum Beispiel der Digitalisierung in Arbeit und Freizeit.

Rutesheim ist das Orakel der SPD

Als Orakel beweist sich der Rutesheimer Ortsverband der SPD. „Beim Stammtisch haben wir am Freitag abgestimmt“, berichtet der Ortsvereinsvorsitzende Tommy Scheeff. „Und 60 Prozent waren für die Groko.“ Das ist ziemlich das Ergebnis der Gesamtpartei, mit der Scheeff selbst zufrieden ist. „Anfangs war ich gegen eine Regierungsbeteiligung“, sagt er. „Aber nachdem sich die FDP auf ein taktisches Spiel eingelassen hat, müssen wir unsere staatspolitische Verantwortung wahrnehmen.“

Dass der Erneuerungsprozess schon in vollem Gange ist, merkt Tommy Scheeff an den Neueintritten. „Die neuen Mitglieder machen sich alle um unsere Demokratie Sorgen“, hat er festgestellt. „Sie haben sich der SPD schon immer verbunden gefühlt und wollen jetzt Flagge zeigen.“ Das stellt auch der Heimsheimer Ortsvereinsvorsitzende Rolf Vetter fest, wenn er neue Parteibücher ausstellt. „Das tut uns gut, denn da sind auch viele junge Leute dabei“, berichtet er. Vetter hofft jetzt, dass sich die Partei vor allem an der Spitze ändert. „So kann es nicht weitergehen“, sagt er. „Wir vor Ort machen unsere Arbeit – und oben veranstalten sie eine Personenschaukel.“