Rosa Budziat lebt in Korb, spielt Trompete und hatte einen Schüler mit Downsyndrom, der Posaune spielen, aber keine Noten lesen konnte. Er hat Talent, lernte die Stücke einfach auswendig und erzielte Eindruck. Rosa Budziat hat ihn begleitet. Der Groove hat beiden gutgetan und seine Mentorin ermuntert, die Gründung einer inklusiven Band anzugehen.
Das System 50:50
Das ist ihr gelungen. Die Mitspieler kommen aus dem Remstal. Von Anfang an dabei ist der Fellbacher Percussionist und Lehrer an der Musikschule, Hans Fickelscher. Die Aufgaben der Bandleitung teilen sich Hans Fickelscher, Arne Meerwein und Holger Bihr, Percussion, Saxofon und Drums. Jeder behinderte Musiker – darunter zwei Rollstuhlfahrer, ein Autist und drei mit Downsyndrom – hat einen nicht behinderten Musiker an seiner Seite. Das System 50:50 funktioniert, die Spielfreude ist groß, und das Repertoire umfasst Soul-&-Jazz-Hits der 60er Jahre bis heute. „Die Musik ist passend für unsere Besetzung arrangiert“, sagt Hans Fickelscher und zählt auf: Violine, Akkordeon, Melodika, Tenor-, Alt-, Sopran- und Baritonsaxofon, Trompete, Posaune und Tuba, Piano, Gitarre, E-Bass und Kontrabass, Schlagzeug, Drums und Percussion.
Das klingt richtig gut, auch wenn nicht immer alle Einsätze und Töne exakt sind. Die gute Laune springt aufs Publikum über. Das Wir zählt. Und es funktioniert auch nach Corona sehr gut. „Die Band ist ohne Mitgliederschwund durch diese Zeit gekommen.“
Der Name für die Band war schnell gefunden, man wollte grooven, und das in einer inklusiven Besetzung. Groove Inclusion lautete der Vorschlag von Rosa Budziat, er setzte sich durch. Ihr gelang es auch, Geld für die Band zu organisieren. Das Sozialministerium förderte das Projekt Groove Inclusion im ersten Jahr mit einem stattlichen fünfstelligen Betrag. Die Zeiten sind allerdings vorbei. Groove Inclusion finanziert sich selbst, über Mitgliedsbeiträge, Gagen und Spenden. Administrativ ist die Band bei der Volkshochschule Unteres Remstal angegliedert. Es besteht eine Kooperation mit der Interessengemeinschaft Jazz Stuttgart.
Auf Spenden angewiesen
„Wir sind auf Spenden angewiesen und verlangen pro Mitglied einen Monatsbeitrag von 15 Euro“, rechnet Hans Fickelscher vor, dass die Band für 1200 Euro Gage gebucht werden kann. Dieses Jahr sind noch mindestens zwei weitere Jubiläumskonzerte, außer dem im Stuttgarter Theaterhaus am 25. Februar, geplant. Eines davon in der Jahnhalle in Endersbach am Samstag, 13. April.
Jedes Konzert von Groove Inclusion ist besonders, die Begegnung mit dem Publikum ein Ereignis, jede Probe eine Herausforderung für die 26 Musiker. Die inklusive Big Band mit Wurzeln im Remstal war bei ihrer Gründung etwas Ungewöhnliches und ist bis heute, nach 100 Konzerten weltweit und zehn Jahren Bandgeschichte, ein Beweis, dass Musik und Inklusion harmonieren.
Band hat Vorbildcharakter
Groove Inclusion ist ein Erfolgsmodell: Sie war eine der ersten inklusiven Bands in Deutschland und hat bis heute Vorbildcharakter. Es gab Auftritte in der Volksrepublik China, Russland, Ungarn und Frankreich, in Deutschland, der Region und im Remstal.
Die Gründung lag gerade vier Wochen zurück, als die Band auf ihre erste große Reise ging und eine Einladung nach Peking annahm. Die Anmeldefrist für das Festival war bereits abgelaufen, „wir erhielten eine Art Wildcard“. Schon die Reise war eine Herausforderung, mit zwei Rollstuhlfahrern und vier Musikern mit Downsyndrom. Ebenso das Repertoire. Schnell mussten Stücke gefunden, arrangiert und einstudiert werden.
Hans Fickelscher erinnert sich an die Fragen vor der ersten Probe. „Wie viele werden kommen, wie gut beherrschen sie ihr Instrument, und welche Stücke eignen sich letztendlich für uns?“ Klar war, dass die Musik grooven und aus dem Bereich Jazz und Pop kommen sollte. Kein Wunder gehörte der Song „Don’t worry, be happy“ von Bobby McFerrin schnell zum Standardrepertoire.
Die Reise und die Auftritte in China waren ein Erfolg. Bis heute sind Bandmitglieder von damals dabei. Peking war der Türöffner für viele weitere Auslandsreisen. „Unsere Musiker lieben es, unterwegs zu sein und vor Publikum zu spielen“, erzählt Hans Fickelscher, der das Musizieren mit den Behinderten nicht mehr missen will. Er hat dafür keine Ausbildung, für ihn gilt Learning by Doing. Sich gegenseitig wahr- und anzunehmen, das seien die besten Hilfen.
Fickelscher kann von seiner Rhythmusgruppe nur Positives berichten. Immer freitags wird geprobt, im Jazzkeller der Musikschule Fellbach. Die Stadt Fellbach hat einen Aufzug einbauen lassen. „Dafür sind wir sehr dankbar. Jetzt müssen wir die Rollstuhlfahrer nicht mehr über die Stufen tragen.“ Um 14.30 Uhr beginnt Fickelscher mit der Probe, eine Stunde später kommt der Rest der Band dazu.
Das älteste Bandmitglied spielt E-Gitarre
Der Älteste ist mittlerweile 82 Jahre alt und spielt E-Gitarre. „Er wird nach dem Jubiläumsjahr aufhören, mit drei weiteren Bandmitgliedern, die Kontrabass, Alt- und Tenorsaxofon spielen.“ Das wird hart, denn das Ziel von Groove Inclusion lautet: „Wir wollen noch besser werden.“ Daran feilen sie. Und genau so hat es sich Rosa Budziat vor zehn Jahren vorgestellt und gewünscht. Sie groovt übrigens weiter mit – und spielt Trompete.
Am Sonntag, 25. Februar, findet das erste Jubiläumskonzert mit Groove Inclusion statt, und zwar im Theaterhaus in Stuttgart um 18 Uhr. Mit dabei als Gast ist Kai Bosch aus Backnang. Der Poetry-Slamer feiert ebenfalls sein zehnjähriges Bühnenjubiläum. Bosch ist Stotterer und seit Geburt Tetra-Spastiker. Er wurde 2022 Baden-Württembergischer Meister im Poetry-Slam und Preisträger des Kleinkunstpreises Baden-Württemberg 2023.