Entsorger aus dem Raum Stuttgart kritisieren, dass sie beim Bauschutt nicht zum Zuge gekommen sind. Schuld daran sei die kompromisslose Ausschreibungspoltik der Bahn, so die Kritik.

Vaihingen/Enz - Die Horrorszenarien waren von der schlimmsten Sorte. Doch sie haben sich alle nicht bewahrheitet. Millionen Tonnen Erdaushub vom Großprojekt Stuttgart 21 könnte auf der Deponie Froschgraben landen und aus dem Gelände ein Gebirge machen, wurde in Schwieberdingen befürchtet. Und weite Teile der Vaihinger Grünen – darunter der Landtagsabgeordnete Markus Rösler – liefen Sturm gegen den Plan des Steinbruchs Sämann in Illingen (Enzkreis), große Mengen an Erde über das Gewerbegebiet Ensingen-Süd in seine Anlage befördern zu lassen.

 

Fakt ist: seit Mittwoch rollen die ersten Züge mit großen Mengen Erdaushub von der Tieferlegung des Stuttgarter Bahnhofs. Allein – es wird kein einziger Standort in der Region Stuttgart angefahren. Insgesamt fallen laut dem Projektbüro bei Stuttgart 21 rund 20 Millionen Tonnen Erde an – davon acht Millionen aus der Stadtmitte, der Rest auf den Fildern und im Bereich Neckar. Das Gros der Erde lande auf einer Deponie in Deißlingen-Lauffen bei Rottweil im Schwarzwald, in Michelbach an der Bilz (Kreis Schwäbisch Hall) oder in Anlagen in Sachsen-Anhalt, teilt die Projektsprecherin Nadia El Almi mit. Das vielfach angeführte Argument, es sei umweltfreundlicher, möglichst kurze Transportwege zu haben, hat offenbar im Ausschreibungsverfahren zur Entsorgung nicht gezogen. Im Zuge der weiteren Bauarbeiten könnten aber durchaus noch andere Deponien dazu kommen, so El Almi. Wenn beispielsweise stärker belastete Erde ausgegraben werde, müsse diese auch in geeigneten Deponien abgelagert werden.

Eine Arbeitsgemeinschaft von Entsorgern, auch aus der Region Stuttgart, hatte sich ursprünglich für den Großauftrag beworben. Mit im Boot war der Logistikdienstleister Awilog mit Sitz in Oberriexingen. Teil der Bewerbung war das Konzept der Firma Sämann. Deren Deponie in Illingen liegt nur rund 30 Kilometer vom Stuttgarter Hauptbahnhof entfernt – deutlich näher als Michelbach (69 Kilometer) oder Deißlingen (107). Bis Ensingen-Süd hätte die Erde auf dem Gleis transportiert werden sollen, um dann per Lastwagen zur Deponie zu kommen und das ausgegrabene Gelände sukzessive aufzufüllen. Doch daraus wurde nichts. „Wir sind ausgestiegen“, erklärt der Awilog-Geschäftsführer Heinrich Kutz. Die Ausschreibungsbedingungen der Bahn seien für mittelständische Unternehmen schlicht und einfach „überzogen, unrealistisch, unerfüllbar“ gewesen. So seien etwa alle Risiken komplett auf die Bieter abgewälzt worden. Wenn zum Beispiel kontaminierte Erde in dem Material sei, müsse der Auftragnehmer auf eigene Kosten die weit teurere Entsorgung übernehmen. Zudem seien die Fristen bis zum ursprünglich geplanten Baustart (September 2013) zu kurz gewesen.

Seine Arbeitsgemeinschaft habe sich daran gestört, dass die Bahn während des Verfahrens keinerlei Rückfragen beantwortet habe. „Jetzt heißt es: größere Entfernungen zu höheren Preisen“, sagt Kutz. Es sei „gut möglich, dass man das bei der Bahn schon bereut hat. Aber das ist jetzt gelaufen“. Die Bahn habe sich wohl aus Angst vor Klagen „in ihrem Verfahren eingemauert, das haben praktisch alle Bieter kritisiert“. Nun müsse der Steinbruch Sämann sein Füllmaterial notgedrungen auf der Straße transportieren lassen – mit entsprechenden Folgen für die ohnehin schon stark belastete B 10.

Diesen Punkt bedauert auch der Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch. „Für Enzweihingen hätte das Modell eine Entlastung von Verkehr bedeutet“, sagt der Rathauschef. Zudem hätte die Stadt auch finanziell profitiert, wenn Ensingen-Süd zum Umschlagplatz für den Erdaushub geworden wäre. Zumindest zeige sich nun, dass die damalige Aufregung im Gemeinderat unnötig gewesen sei.

Zu der Kritik an dem Ausschreibungsverfahren will sich die Projektsprecherin Nadia El Almi nicht äußern. „Klar ist aber, dass für sämtliche Massen ausreichend Entsorgungsmöglichkeiten geschaffen worden sind“, betont sie. Zurzeit hoffe die Bahn noch darauf, größere Mengen der Erde von der S-21-Baustelle als Baustoff verwerten zu können. Erdaushub sei schließlich kein Abfall. Zurzeit liefen diesbezüglich Verhandlungen. Allerdings könne sie voraussichtlich vor Ende des Jahres noch nichts dazu sagen.