Nigel Farage will nach den Unterhauswahlen etwas gegen die Zuwanderung unternehmen und mit Großbritannien die EU verlassen. Seine Ukip-Partei könnte durchaus zum Zünglein an der Waage werden. Premier Cameron ist in Sorge.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Für Nigel Farage ist es höchste Zeit, dass seine Landsleute ihre Heimat „zurückerobern“, denn seiner Meinung nach machen Osteuropäer, Moslems mit mörderischen Absichten und Aidskranke aus aller Welt den Engländern das Leben zur Qual. Zu Beginn des Wahlkampfs in Großbritannien rührt der Vorsitzende der Unabhängigkeitspartei Ukip darum mit Macht die Trommel zum Aufstand gegen immer neue „Überfremdung“.

 

Bei den Unterhauswahlen am 7. Mai hofft Farage, genügend Mandate zu gewinnen, um etwas gegen Zuwanderung zu unternehmen – damit britische Kinder „wieder wie früher“ furchtlos auf britischen Straßen Fußball spielen können. Im Fernsehstudio, bei der TV-Wahldebatte der sieben Parteiführer, machte Farage deutlich, warum einzig und allein seine Anti-EU-Partei eine Eindämmung dieses Zustroms leisten könne: weil nur der Ausstieg aus der EU den Briten wieder die Kontrolle über ihre eigenen Grenzen verschaffe.

Ohne Wenn und Aber: Goodbye Europa

In der Tat ist Ukip die einzige britische Partei, die einen „Abschied von Europa“ ohne Wenn und Aber fordert. Ein rasches Goodbye zur EU, verbunden mit dem Gelöbnis radikaler Drosselung aller Zuwanderung, ist auch bei dieser Wahl die Kernforderung der Rechtspopulisten. Höchstens 50 000 Ausländer im Jahr – statt wie gegenwärtig 300 000 – will Farage künftig noch ins Land lassen. Außerden sollen alle anrückenden Migranten dazu verpflichtet werden, sich mindestens fünf Jahre lang selbst zu versichern, Privatkliniken aufzusuchen und ihre Kinder in Privatschulen zu schicken, um dem britischen Staat nicht zur Last zu fallen: „Wir müssen uns erst mal um unsere eigenen Leute kümmern.“

Solche Parolen fallen bei einem Teil der britischen Wähler auf fruchtbaren Boden. Vier bis fünf Millionen Stimmen, zwischen zwölf und 15 Prozent Stimmenanteil, hofft Ukip zu holen. Ein solches Abschneiden würde Farages Partei, wegen des Mehrheitswahlrechts, zwar nur eine relativ kleine Zahl von Sitzen verschaffen, aber es wäre, gerade wegen dieses Wahlrechts, das die großen Parteien begünstigt, ein beachtliches Ergebnis. Vor fünf Jahren war Ukip noch nirgends zu sehen.

Cameron könnte die EU-Gegner zum Regieren brauchen

Nun aber könnte Ukip mit etwas Glück sogar zum Zünglein an der Waage werden, denn nur die wenigsten Beobachter in London erwarten, dass der konservative Premierminister David Cameron am 7. Mai eine absolute Mehrheit erringt. Zu den Parteien, auf die sich der Tory-Chef beim Verfehlen einer Mehrheit stützen müsste, gehören die Liberaldemokraten und Nordirlands Protestanten – und eben Ukip. Es wäre Farages große Stunde, wenn die Konservativen auf ihn angewiesen wären.

An seinem Preis für eine Unterstützung Camerons hat Farage keinen Zweifel gelassen. Das EU-Referendum, das der Tory-Premier für 2017 versprochen hat, will Ukip schon in diesem Herbst haben. Vorabverhandlungen mit den EU-Partnern über eine „reformierte EU“, wie sie Cameron plant, erübrigen sich nach Ansicht Farages.

Im Übrigen sucht Farage geflissentlich zu vergessen, dass er noch vor weniger als sechs Monaten erklärt hat, er traue David Cameron nicht. Jetzt, im Wahlkampf, hält der Ukip-Vorsitzende den Tory-Premier für „jemanden, mit dem wir uns an einen Tisch setzen und reden können“. Cameron will sich dazu nicht direkt äußern, Absprachen mit Ukip aber auch nicht ausschließen. Vor einigen Jahren noch hatte er Farages Partei als „einen Haufen von Totalbekloppten, Klapsmühlen-Kandidaten und heimlichen Rassisten“ verspottet. Heute behält er Ukip sorgsam im Blick.