In Großbritannien soll Theresa May an die Spitze der Regierung wechseln. David Cameron absolviert eine letzte Sitzung als Premier im Unterhaus. Für den 49-Jährigen gibt es Lob, Schulterklopfen, aber auch eine ordentliche Portion Kritik.

London - David Cameron ist vom britischen Unterhaus mit viel Lob und Dankesworten als Premierminister verabschiedet worden. Die ungewöhnlich freundliche Fragestunde der Abgeordnete gipfelte in stehenden Ovationen für den 49-Jährigen, der am frühen Abend seinen Rücktritt bei Queen Elizabeth II. einreichen und die Amtsgeschäfte seiner designierten Nachfolgerin Theresa May übergeben wollte.

 

„Ich werde das Tosen der Menge vermissen. Ich werde die spitzen Bemerkungen der Opposition vermissen“, sagte Cameron in seiner Abschiedsrede. Als einfacher Abgeordneter der Tories werde er das Geschehen im Unterhaus aber weiter verfolgen. Der scheidende Premier zeigte sich auch selbstironisch und erinnerte an eine eigene spitze Bemerkung, die er an seinen Vorgänger Tony Blair gerichtet hatte, als dieser das Amt aufgab. „Wie ich einst gesagt habe: Ich war einst die Zukunft.“

Abgeordnete empfangen May mit Jubel

Die Abgeordneten empfingen May, die die erste britische Premierministerin seit Margaret Thatcher wird, mit Jubel. Nach Camerons Treffen mit der Queen wurde die bisherige Innenministerin im Buckingham-Palast erwartet, um den Auftrag zur Regierungsbildung entgegenzunehmen. May dürfte ihr Kabinett dann in den kommenden Tagen benennen.

Mays vordringliche Aufgabe wird sein, das Land und die Finanzmärkte nach der Brexit-Entscheidung zu beruhigen. Die 59-Jährige wird Berichten zufolge einen Minister ernennen, der den EU-Ausstieg umsetzen soll.

Cameron sagte „The Daily Telegraph“, es sei ihm „eine Ehre (gewesen), dem Land zu dienen, das ich liebe“. Er hatte nach dem Referendum für einen EU-Ausstieg Großbritanniens im Juni seinen Rücktritt angekündigt. Zum Abschied aus dem Amt gab es von der britischen Presse Kritik für ihn. Die „Sun“ meinte, Cameron sei „von seinem olympischen übermäßigen Selbstvertrauen zerstört“ worden, während der „Guardian“ ihn als „Premierminister gebrochener Versprechen“ bezeichnete.

Lob von altem Rivalen

Lob kam hingegen von einem alten Rivalen: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte am Mittwoch, er werde Cameron trotz eines holprigen Beziehungsstarts vermissen. Cameron hatte noch vor zwei Jahren versucht, den Luxemburger als EU-Kommissionspräsidenten zu verhindern. „Ich habe einen Mann erlebt, der seriös ist, der ein Fan einer geradlinigen Politik ist“, sagte Juncker über den scheidenden Premierminister. Sie hätten seit seinem Amtsantritt an der Spitze der Europäischen Union „eine exzellente berufliche und persönliche Beziehung“ gehabt.

May war am Dienstag als neue Vorsitzende der Konservativen Partei und damit designierte Premierministerin bestätigt worden. Nach dem Brexit-Referendum vom 23. Juni hatte es zunächst nach einem langen Kampf um die Nachfolge Camerons ausgesehen, der sich für einen Verbleib in der EU eingesetzt hatte. Doch zuletzt hatte sich May immer deutlicher als klare Favoritin etabliert; die einzig verbliebene Konkurrentin Andrea Leadsom zog sich am Montag zurück.

Auch bei der oppositionellen Labour-Partei hatte das Brexit-Votum für Rufe nach einem Führungswechsel gesorgt. Cameron machte sich bei seiner Rede im Unterhaus über die ungelösten Turbulenzen bei Labour lustig und sagte in Richtung Parteichef Jeremy Corbyn, bei den Tories habe es in der gleichen Zeit schon „Rücktritt, Nominierung, Wettstreit und Krönung gegeben“.