Sally Bercow, die Frau des britischen Parlamentspräsidenten, macht erotische Bilder und geht ins Big-Brother-Haus. Die Briten sind nicht amused.    

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - An Aufmerksamkeit kann Sally Bercow offenbar nicht genug bekommen. Im Februar versuchte die 41-jährige Britin es bereits mit einem anzüglichen Foto ihrer selbst, in einem Bettlaken unter dem Big Ben für die Boulevard-Presse. Jetzt ist "Silly Sally" noch etwas weiter gegangen.

 

Sie steckt im englischen Big-Brother-Haus und ist allabendlich auf Kanal 5 im Fernsehen zu besichtigen. Dort quasselt sie über allerlei Privates und kichert endlos über die Nervosität ihres Mannes angesichts ihres Bildschirmauftritts.

Die meisten ihrer Landsleute wundert diese Nervosität kein bisschen. Sally Bercow ist immerhin die Ehefrau des Unterhaussprechers John Bercow, also des Parlamentssprechers im ehrwürdigen Palast von Westminster. Das Amt des Sprechers ist eins der höchsten und traditionsbeladensten der britischen Politik.

Sally macht, was sie will

Sally jedoch ist es gewohnt, ihr "eigenes Ding zu machen". Zum Beispiel setzt sie sich für die Labour Party ein, während John aus dem konservativen Lager stammt. Sie gibt auch wenig auf Formalitäten, die ihr Mann von Amts wegen einhalten muss.

Beim Papstbesuch im vergangenen Jahr, bei der der Sprecher eine zentrale Rolle spielte, sagte sie ihre Teilnahme ab, weil sie "eh kein großer Fan des Papstes" war - und für den betreffenden Abend angeblich "keinen Babysitter" für die drei Bercow-Kinder finden konnte.

Lustiger als ein Essen mit dem Heiligen Vater kamen ihr jedenfalls ein paar "Celebrity"-Wochen in der Hölle des Big-Brother-Containers vor. Als Hausgenossin eines selbstverliebten Paparazzi, eines lang verblassten Atomic-Kitten-Bandmitglieds, eines "großen-fetten-Zigeuner-Boxers" und sieben anderer Zeitgenossen ähnlicher Statur.

Provokation als Lebenselexier

Mit einem solchen Auftritt, kalkulierte sie ganz offen, würde sie sich vielleicht Zugang "zu anderen potenziellen Fernsehprojekten" verschaffen können. Vor allem aber reize es sie, "dem Establishment zwei Finger vor die Nase zu halten". Provokation ist für Sally Bercow zweifellos ein Lebenselexier. Mit lockeren Sprüchen über ihr Eheleben und all die "Dummheiten" ihrer Studentenjahre in Oxford wirbelte sie schon früher mächtig Staub auf.

In dieser Woche enthüllte sie, dass sie dem lieben John ihre Teilnahme am Big-Brother-Spektakel schmackhaft gemacht hatte, indem sie ihn mit "weiblicher List" zu einem "schmutzigen Wochenende" nach Devon entführte. Sehr angetan sei der 48-Jährige von der Fernsehidee dennoch nicht gewesen. "Aber wir sind seit neun Jahren verheiratet, und er weiß ja, wie ich so bin. Ich kann nur hoffen, dass er nun nicht gleich die Scheidung einreicht."

Feministinnen in England schütteln über solche Reden den Kopf. Sally Bercows Beharren darauf, dass sie kein Anhängsel ihres Mannes sei, schützt sie nicht vor dem Vorwurf, mit ihrem Geltungsbedürfnis beider Ansehen in Gefahr zu bringen. Die "Carla Bruni der britischen Politik", als die sich selbst sieht, benehme sich "schriller als ein Kleinkind, das seine Unterwäsche zur Schau stellt, weil es eine Überdosis Gummibärchen zu sich genommen hat", meinte gestern abfällig eine Kolumnistin. Immerhin nimmt die Bercows an dem Medienzirkus nur deshalb teil, weil sie, ganz offiziell, als "Frau des Speakers" auftritt.

Die Bercows sind den Konservativen zu linkslastig

Konservativen Briten und deren Zeitungen sind die Bercows, die "das Amt des Speakers beschädigen", zuwider. Die Tories sind schon lange dabei, am Sessel John Bercows im Unterhaus zu sägen. Ihnen ist der Sprecher zu linkslastig für einen Rechten. Dass dessen Frau den Tory-Premierminister David Cameron einmal einen "Handelsvertreter in Schönrednerei" und die Partei ihres Mannes "die Partei einer privilegierten Minderheit" genannt hat, haben sie Bercow nicht verziehen.

Dass der seine eigenwillige Sally, eine frühere Partylöwin und Vieltrinkerin (und heutige Abstinenzlerin), stets wieder verteidigt, macht die Parteikollegen rasend. Da mag sich Sally Bercow in ihren klarsichtigeren Momenten noch so sehr dafür entschuldigen, dass sie sich "gelegentlich wie ein Vollidiotin" benommen habe.

Sallys Skandale gefähren die politische Karriere ihres Mannes

Unter diesen Umständen wäre es vielen Tories geradezu willkommen, wenn sich "Silly Sally" im Laufe der kommenden Wochen im Big-Brother-Trubel endgültig zum Gespött der Nation machen würde. Wenn heute Abend erstmals ein Teilnehmer der Serie durch Publikumsentscheid abgewählt wird, hoffen die Bercow-Gegner darauf, dass Sally im Rennen bleibt. Laut der "Times" soll ein Tory-Minister sogar eine Geheimkampagne in Gang gesetzt haben, die Gleichgesinnte zu "einer Stimme für die Schlampe" zu animieren sucht.

In den Londoner Wettbüros wird bereits darauf gesetzt, dass Bercow die Show nicht überstehen wird. Gemeint ist John Bercow, den Sprecher im House of Commons. Sein Rücktritt - wegen Sallys Eskapaden - wird mit 20:1 gehandelt. Für den Speaker kann der Rauswurf seiner Frau nicht früh genug kommen.