Großbritannien nach Trumps Einreisestopp Vorschnell zum Staatsbesuch eingeladen?

In einer Petition fordern mehr als eine Million Briten, dass die Einladung an Donald Trump zu einem Staatsbesuch wieder zurückgenommen werden soll, solange er an dem US-Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Staaten festhält.
London - Drei Tage nach der feierlichen Einladung des US-Präsidenten zu einem Staatsbesuch in Grossbritannien in diesem Sommer sieht sich Premierministerin Theresa May daheim von allen Seiten zum Widerruf der Einladung gedrängt. Weit über eine Million Menschen in Grossbritannien haben bereits eine entsprechende Petition unterschrieben, und selbst in Mays Partei, bei den Konservativen, mehren sich die Stimmen derer, die Donald Trump eine solche Ehre nicht zukommen lassen wollen - solange er sein weltweit umstrittenes Einreiseverbot für Bürger aus sieben überwiegend moslemischen Ländern in die USA aufrecht erhält.
Eine rein amerikanische Gelegenheit
Die Einladung zum Staatsbesuch, inklusive Golfspiel auf dem Gelände von Schloss Balmoral in Anwesenheit der Königin, hatte Regierungschefin May dem Präsidenten am Freitag bei ihrem Besuch im Weißen Haus persönlich überbracht. Am selben Abend noch unterzeichnete Trump aber sein Dekret über die Einreiseverbote. Den ganzen Samstag über bestand Theresa May darauf, dass dies mit ihr nichts zu habe, sondern eine rein amerikanische Gelegenheit sei. Erst in der Nacht auf Sonntag bekannte sie, dass sie "nicht einverstanden" sei mit den neuen Washingtoner Massnahmen, die zu diesem Zeitpunkt bereits heftige Proteste auslösten in den USA.
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Schärfer reagierten Jeremy Corbyn und Tim Farron, die Vorsitzenden der Labour Party und der Liberaldemokraten. Sie forderten, dass Trumps Staatsbesuch wieder abgesagt oder wenigstens verschoben werden sollte. Die britischen Grünen und die in Schottland regierende Schottische Nationalpartei (SNP) schlossen sich dieser Forderung prompt an. In Downing Street hält man eine solche Absage, die einem diplomatischen Affront gleich käme, für unmöglich. Es bleibe bei der ausgesprochenen Einladung, erklärte am Montag die Premierministerin. Sie freue sich sehr auf den kommenden Besuch. Sollten die Oppositionsparteien den Besuch freilich boykottieren, liefe Theresa May Gefahr, dass weder die Repräsentanten der Opposition noch Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin, bei einem Empfang für Trump anwesend wären.
Nichts mit britischen Werten gemeinsam
Auch der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan, der erste Moslem auf diesem Posten, kann sich eine Begegnung mit Trump nicht vorstellen, so lange das seiner Ansicht nach "schändliche" Einreiseverbot bestehen bleibt. Mehrere konservative Unterhaus-Abgeordnete und die Vorsitzende der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, halten einen pompösen Empfang für Trump ebenfalls nicht für gerechtfertigt. Mays Minister für kommunale Angelegenheiten, Sajid Javid, ein Brite pakistanischer Abstammung, findet, Trumps Einreiseverbot habe "nichts mit britischen Werten" zu tun. Die gleiche Ansicht haben bereits über eine Million Briten zum Ausdruck gebracht, die binnen 36 Stunden eine Online-Petition gegen Trump unterschrieben. Die Petition fordert die Herabstufung der angeblich für Juni geplanten Visite vom Staatsempfang zur normalen Politiker-Zusammenkunft. Nach Westminster-Regeln muss diese Petition in den nächsten Wochen im Parlament debattiert werden. Schon das ist äusserst peinlich für May.
Eilerklärung von Johnson
Am Montag wurde Aussenminister Boris Johnson bereits zu einer Eil-Erklärung ins Unterhaus zitiert, um den Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen. Viele Parlamentarier in Westminster waren unglücklich darüber, dass die Regierung eine Stellungnahme zu den Einreiseverboten so lang verweigert hatte. Spezielles Interesse galt einer vom Londoner Aussenministerium am späten Sonntagabend verkündeten Sonderregelung für britische Staatsbürger, die angeblich unangefochten in die USA sollten einreisen können, selbst wenn sie aus "den sieben Ländern" stammten. Diese Versicherung habe Johnson direkt vom Weißen Haus erhalten, hiess es an jenem Abend, nachdem er "den ganzen Tag über" mit den Trump-Beratern Steve Bannon und Jared Kushner telefoniert habe. Mit seiner Erklärung löste das Foreign Office totale Verwirrung aus. Während Briten wie der in Somalia geborene britische Olympionike Mo Farah Johnson für die Chance zur Rückkehr in die USA spontan dankten, weigerte sich die Londoner US-Botschaft am Montag weiterhin kategorisch, Visen für Doppelpass-Bürger auszustellen. Die EU-Kommission forderte von Washington "Klarheit" in der grundsätzlichen Frage der Behandlung von EU-Bürgern.
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